Pfaffenhofen - Die lebenswerteste Kleinstadt der Welt
Pfaffenhofen an der Ilm ist in Südkorea mit dem LivCom-Award ausgezeichnet worden. Die Münchner sollten sich das mal anschauen: Mit dem Zug ist man in nur 23 Minuten dort.
PFAFFENHOFEN - Was ein Biomasse-Heizkraftwerk, eine riesige Skaterhalle und Baustellen in der Innenstadt so ausmachen: Das oberbayerische Pfaffenhofen an der Ilm wurde jetzt zur „Lebenswertesten Stadt der Welt“ gekürt. Sie erhielt den LivCom-Award – so etwas wie den Oscar für Lebensqualität.
Pfaffenhofen überzeugte als besonders umweltfreundliche, bürgerfreundliche und zukunftsfähige Stadt. Die 24 000-Einwohner-Gemeinde setzte sich in der Kategorie 20 001 bis 75 000 Einwohner gegen 90 Bewerber durch. Als Bürgermeister Thomas Herker am Montag den gläsernen Pokal in Seoul (Korea) empfing, jubelten 150 Pfaffenhofener im Rathaussaal mit.
Schließlich sind alle von ihrer Stadt überzeugt – und haben es jetzt amtlich: Hier ist’s einfach am Schönsten. In den sechs Kategorien Lebensraum-Gestaltung, Kulturförderung, Bewahrung des traditionellen Erbes, Bürgerbeteiligung, Gesundheit und Soziales oder Strategien für die Verbesserung von Umweltschutz und Lebensqualität hieß der Gesamtsieger: Pfaffenhofen.
Die Stadt hat durch Firmen wie Hipp eine hohe Wirtschaftskraft, wenig Arbeitslose und hohe Gewerbesteuereinnahmen – die sie in Projekte wie das Biomasse-Heizkraftwerk steckt. Seit 2000 versorgt es Wohnungen und Fabriken mit Energie – und spart damit jährlich 24 Millionen Liter Heizöl.
Die Innenstadt wurde vor einigen Jahren weitgehend von Autos befreit, Jugendliche sporteln in Europas größter Skaterhalle, neue Wohnungen entstehen im Zentrum.
Das geplante Öko-Viertel „Eco-Quartier“ mit Büros und 100 Wohnungen bekommt Strom, Warmwasser und Heizung aus regenerativen Energien, im neuen Kultur- und Sozialzentrum gab’s im Sommer eine große Joseph-Beuys-Ausstellung und vor zwei Wochen ein Island-Wochenende mit Lesungen, Gesang „und einer Show mit künstlichen Vulkanen“, sagt Pfaffenhofens Sprecher Willy Hailer.
Durch den Zuschlag für die Kleine Landesgartenschau im Jahr 2017 wird Pfaffenhofen auch das Ufer der Ilm renaturieren – der endgültige Todesstoß für Konkurrenten wie die tschechische Silberbergwerkstadt Jihlava, den tschechischen Industrie-Ort Kladno oder das japanische Hagi bei Hiroshima.
Vor sieben Jahren gewann mit Münster in Nordrhein-Westfalen die letzte deutsche Stadt den LivCom-Award – und profitierte vom riesigen Image-Gewinn: Europäische und US-Medien berichteten, im Jahr darauf kamen doppelt so viele Reisegruppen.
Auf dieses Echo hofft jetzt auch das lebenswerte Pfaffenhofen – und lädt auch die Münchner ein, mal vorbeizuschauen. Mit dem Zug sind’s nur 23 Minuten, sagt Willy Hailer. Na, dann.
Pfaffenhofen: Babybrei, Bulldog-Freunde und zwei Bistümer
München mag eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität sein, die „Lebenswerteste Stadt der Welt“ ist aber Pfaffenhofen an der Ilm. Hier wichtige (und unwichtige) Fakten zum Städtchen in der Holledau – falls Sie einen Besuch planen.
Pfaffenhofen ist alt: Die Benediktiner gründeten schon im 8. Jahrhundert die „Pfaffenhöfe“ im jetzigen Norden der Stadt – daher wohl der Name.
1140 wird die Stadt erstmals urkundlich erwähnt.
1388 wird sie im großen Städtekrieg eingeäschert.
Im Österreichischen Erbfolgekrieg 1745 schlagen die Österreicher bei Pfaffenhofen eine französisch-bayerische Armee. Bayern scheidet aus der Allianz gegen Österreich aus.
1865 bis 1867 wird die Eisenbahnlinie München-Ingolstadt gebaut – mit Pfaffenhofen als Halt.
1899: Die Stadt bekommt elektrische Beleuchtung und ihre erste öffentliche Telefonanstalt mit zehn Anschlüssen.
Bei der Reichstagswahl 1933 erzielt die NSDAP 43,1 Prozent der Stimmen – das beste Ergebnis Oberbayerns.
Die Neugründung des SPD-Landesverbandes Bayern findet am 6. Oktober 1945 in Pfaffenhofen statt.
Die Grenze zwischen den Bistümern München und Augsburg verläuft direkt durch die Klinik.
Namhafte ansässige Unternehmen sind der Pharma-Konzern Daiichi Sankyo Europe, der Kleiderbügel-Hersteller Mawa, PolyDiagnost, das die kleinsten Endoskope der Welt herstellt, und der Babynahrungshersteller Hipp.
Hipp-Gründer Georg ist Ehrenbürger. Nach ihm wurden die Realschule und eine Straße benannt.
In Pfaffenhofen gibt es über 50 Vereine – etwa den Brieftauben-Club sowie die Bulldog-Freunde, die Astronomische Gemeinschaft Holledau, den Esperanto-Sprachclub und das „Institut für wirtschaftliche Ölheizung“.
Sie haben abgestimmt
Die „International Awards for Liveable Communities“, auf deutsch „Internationale Auszeichnungen für lebenswerte Gemeinschaften“, kurz „LivCom“, werden seit 1997 von der britischen Organisation „Nations in Bloom“ vergeben. Die Auszeichnung wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Internationalen Vereinigung der Gartenbauamtsleiter unterstützt.
Es werden insgesamt drei Preise verliehen, die Bewerber werden wiederum in fünf Gruppen je nach Einwohnerzahl unterteilt – Pfaffenhofen gewann im Hauptwettbewerb den „Whole City Award“, der die nachhaltigste Stadt auszeichnet. Heuer bewarben sich weltweit 376 Kommunen mit einer schriftlichen Präsentation – so viele wie nie.
Frühere Preisträger sind unter anderen Toronto (Kanada), Chicago (USA) oder Shenzhen (China) – die letzten Gewinner aus Deutschland waren 2004 die Stadt Münster und der Rhein-Hunsrück-Kreis.
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