Pendolino-Chaos: Bahn zahlt Millionenstrafe

Pendler fordern jetzt Entschädigung für die andauernden Verspätungen der Neigetechnik-Züge.
NÜRNBERG Fällt das Stichwort Bahn, dann schwillt Erdmute Lipper die Zornesader. Die Ärztin aus Hersbruck fährt jeden Morgen mit dem Pendolino in ihre Praxis nach Nürnberg. „Im letzten halben Jahr kam ich an keinem Tag pünktlich an“, sagt sie. Die Folge ist, dass sie kleinere Operationen, die sie sonst vor ihrer Sprechstunde erledigen konnte, verschieben muss. „Ich muss länger arbeiten, meine Patienten müssen warten und ich muss für die Überstunden meiner Mitarbeiter zahlen!“ Jetzt fordern sie und viele Pendler aus dem Osten Nürnbergs Entschädigung von der Bahn. Die musste bereits eine Millionenstrafe bezahlen...
Innerhalb von nicht einmal zwei Wochen hat die Bürgerinitiative „Bessere Bahn“ über 650 Unterschriften gesammelt. Gerade auf den Pendolino-Strecken von Oberfranken und der Oberpfalz nach Nürnberg kommt es regelmäßig zu Verspätungen. „Zudem fallen Züge aus und die Fahrgäste werden ohne Informationen allein gelassen“, berichtet der Hersbrucker Richard Mergner von seinem Bahn-Frust.
Grund für das Pendler-Chaos sind die Neigezüge der Bahn. Sie können sich in die Kurve legen und sind damit schneller. Doch diese Funktion ist defekt und bei allen Zügen abgeschaltet. Die Fahrzeiten verlängern sich entsprechend. Doch die Bahn hat zum Fahrplanwechsel nach Ansicht der Pendler unzureichend darauf reagiert. „Nichts wurde angepasst. Außerdem hält der Pendolino in Hersbruck nur noch jede zweite Stunde“, trauert Pendler Thomas Meiler dem Stundentakt nach.
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) hat das Verspätungs-Chaos dokumentiert. Sie schreibt die Nutzung des Schienennetzes in Bayerns Regionen aus und kontrolliert die Verkehrsunternehmen, die die Strecken bedienen. Die automatische Messstelle in Hersbruck hat ergeben, dass über den gesamten Tag gesehen nur 88 Prozent der Züge pünktlich sind. „Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass gerade im Berufsverkehr die Störungen besonders gravierend sind“, kommentiert Meiler.
Die BEG hat bereits reagiert. Die Bahn muss wegen der Unpünktlichkeit 5,2 Millionen Euro Vertragsstrafe bezahlen. Das Geld geht aber nicht an die Pendler. Es wird zum Ausbau des Bahnhofs in Neuhaus und für bessere Hinweisschilder in den Zügen verwendet. Die Pendler-Initiative erwägt nun Musterklagen auf Entschädigung.
Die Bahn entschuldigte sich gestern bei der Übergabe der Protestunterschriften für die Verspätungen, die oft Resultat einer Verkettung unglücklicher Umstände seien. Ende des Jahres soll die Neigetechnik wieder funktionieren. Dann werde die Pünktlichkeit auch wieder besser, versprach Ludwig Wolf von der DB Regio Mittelfranken. Michael Reiner