Paten für Bildenhunde gesucht: "Aber bitte einen vernünftigen Namen aussuchen"

Acht Welpen sollen für ein Jahr betreut werden, um sie zu Blindenhelfern ausbilden zu können. Was Mensch und Tier dafür können müssen.
von  Anne Wildermann
Paten auf Zeit gesucht: Wolfgang und Maria Seitle (r.) sowie Hundetrainerin Michaela Beric hoffen, dass sich würdige Tierfreunde melden und dabei helfen, dass die vier noch namenlosenLabrador-Welpen in mehreren Monaten zu Blindenführhunden ausgebildet werden. Das EhepaarSeitle betreibt seit 34 Jahren eine Blindenführhundschule in Oberbayern.
Paten auf Zeit gesucht: Wolfgang und Maria Seitle (r.) sowie Hundetrainerin Michaela Beric hoffen, dass sich würdige Tierfreunde melden und dabei helfen, dass die vier noch namenlosenLabrador-Welpen in mehreren Monaten zu Blindenführhunden ausgebildet werden. Das EhepaarSeitle betreibt seit 34 Jahren eine Blindenführhundschule in Oberbayern. © Hannes Magerstädt

Neuburg an der Donau - Eng aneinander gekuschelt haben es sich die vier Labrador-Welpen unter einer Sitzbank gemütlich gemacht. Kein Wunder: Es regnet in Strömen. Die Pfützen im Englischen Garten in München ähneln kleinen Seen. Bei solch einem Wetter will eigentlich niemand vor die Tür - nicht mal die Hunde.

Die elf Wochen alten Tiere sind in Begleitung ihrer Züchter Wolfgang (71) und Maria (59) Seitle sowie der Hundetrainerin Michaela Beric (49) aus Neuburg an der Donau (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen). Das Ehepaar Seitle sucht händeringend nach Paten, die sich ein Jahr um die goldigen Welpen kümmern. Der Grund: Sie bilden seit 1990 in ihrer Blindenführhundschule mit ihrem Team Hunde aus, die künftig eine blinde Person im Alltag unterstützen sollen.

Zukünftige Blindenhunde müssen sich an Umwelt gewöhnen

Damit das auch funktioniert, "muss der Hund bei einer betroffenen Person umweltsicher sein, schon als Welpe daran gewöhnt werden. Er muss wissen, was ein Bahnhof, ein Kaufhaus, eine Fußgängerzone ist", erklärt Seitle, der 20 Jahre als Hundeführer bei der Polizei gearbeitet hat. Die blinde Person könne es dem Hund im Nachhinein nicht beibringen, weil sie sich reibungslos auf das Tier verlassen müsse.

Nach den zwölf Monaten in der Patenfamilie kehrt der Hund im Alter von etwa 15 Monaten zu den Seitles zurück. Dann wird er von einem Tierarzt untersucht und anschließend einem Wesenstest unterzogen. "Es wird geschaut, ob das Tier überhaupt als Blindenführhund geeignet ist", sagt Seitle. Ist das der Fall, dauert die Ausbildung, die von Trainerin Beric übernommen wird, zwischen sechs und neun Monate. Bevor er zu der blinden Person kommt, gibt es noch eine Eingewöhnungszeit von vier Wochen für beide Seiten. "Das heißt, wir kommen mit dem Hund zu dem blinden Menschen und schauen, wie beide miteinander zurechtkommen", sagt Seitle. Ein fertig ausgebildeter Blindenführhund kostet etwa 45.000 Euro.

Sollte sich während der Ausbildung herausstellen, dass der Hund doch nicht als Blindenführhund geeignet ist, kann er von der ehemaligen Patenfamilie übernommen werden. "Sie hat ein gewisses Vorrecht auf das Tier", ergänzt Seitle.

Hund muss gut erzogen werden: "Sehende bekommen das vielleicht noch hin, aber Blinde nicht"

Die Patenschaft kann entweder eine Familie oder eine Einzelperson übernehmen. Erfahrungen mit Hunden sind nicht Voraussetzung, auch nicht, dass der Pate in einem Haus mit weitläufigem Garten wohnt. "Eine Etagenwohnung ist genauso in Ordnung. Sollte sie im dritten Stock oder höher liegen, muss es aber einen Aufzug geben", sagt Seitle. Des Weiteren müsse der Pate volljährig und hundelos sein, an Kinder und Jugendliche werde das Tier nicht abgegeben. Dass der Pate auch mal in den Urlaub fahre, sei laut Ehepaar Seitle kein Problem. Der Hund weilt währenddessen bei seinen Züchtern.

Ganz wichtig: Der Pate muss Zeit haben, sich um das Tier zu kümmern, tierlieb, verantwortungsbewusst und zuverlässig sein. "Er muss es auch erziehen. Der Hund darf nicht im Bett schlafen, darf nicht vom Tisch gefüttert werden oder zu anderen Artgenossen hinrennen, wenn er sie sieht", sagt Seitle. Solche Marotten wieder abzugewöhnen, sei nicht leicht. "Sehende bekommen das vielleicht noch hin, aber Blinde nicht."

Blindenführhunde sind Arbeitstiere. Sie dürfen ohne Einwilligung der blinden Person nicht gestreichelt werden.
Blindenführhunde sind Arbeitstiere. Sie dürfen ohne Einwilligung der blinden Person nicht gestreichelt werden. © Jens Büttner/dpa

"Wir arbeiten in München mit einer Partnerhundeschule. Einmal die Woche muss der Pate mit dem Tier dorthin gehen", sagt Seitle. Damit sich ein ungezogenes Verhalten erst gar nicht entwickeln kann. Wichtig sei, den Hund mit "liebevoller Konsequenz" zu erziehen, ergänzt Tiertrainerin Beric. "Heute so und morgen so, geht nicht." Die Kosten für den Hundeschulkurs sowie für den Tierarzt, das Futter und die Haftpflichtversicherung übernehmen sie.

Insgesamt acht Paten werden gesucht

Bevor der potenzielle Pate den Zuschlag für die einjährige Betreuung des Hundes bekommt, wird er von den Seitles genau unter die Lupe genommen. "Es gibt Beziehungen zwischen Hund und Mensch, da passt alles und es gibt welche, da passt es nicht", sagt Maria Seitle. Bei Fragen oder Hilfestellungen stehe dem Paten das Team der Blindenführhundeschule jederzeit zur Verfügung, verspricht Seitle. Insgesamt werden acht Paten für jeweils vier Labrador- und vier Goldendoodle-Welpen (Kreuzung zwischen Golden Retriever und Pudel) gesucht.

In der Vergangenheit hat das Ehepaar Seitle auch andere Rassen wie Schäferhunde, Pudel oder Berner Sennenhunde ausgebildet. Aber letztlich hat es sich auf Labradore und Goldendoodle spezialisiert. "Diese Rassen sind wesensstark, lernwillig, wollen immer gefallen, sind nicht aggressiv, haben starke Nerven und sind sehr intelligent", fasst Seitle die positiven Eigenschaften zusammen. Blindenführhunde bleiben bis zu ihrem Tod bei ihrem gehandicapten Besitzer. "Viele glauben, dass die Tiere ausgemustert und an Dritte abgegeben werden. Aber das ist falsch. Zwischen Tier und Mensch ist schließlich eine sehr enge Bindung entstanden", so Seitle.

Resonanz ist bisher zurückhaltend:  "Es war für uns noch nie so schwer, Hundepaten zu finden" 

Wer den Zuschlag für eine Patenschaft bekommen hat, muss damit einverstanden sein, dass die Seitles zu einem angekündigten Besuch vorbeikommen und nach dem Schützling schauen. Laut Seitle sei die Resonanz allerdings zurückhaltend. "Es war für uns noch nie so schwer, Hundepaten zu finden." Seine Vermutungen, warum es behäbig läuft: Seit Corona haben sich viele einen Hund zugelegt und die Leute seien aufgrund der in Deutschland angespannten finanziellen Lage verunsichert. Wer dennoch etwas "Gutes für blinde Menschen tun will", solle sich melden, wie Hundetrainerin Beric sagt.

Übrigens: Noch sind die acht Welpen namenlos. Die Ehre, sie zu taufen, wird den Paten zuteil. "Aber bitte einen vernünftigen Namen aussuchen. Nicht Pinocchio oder so", sagt Seitle und verzieht etwas den Mund.

Kontakt: Blindenführhundschule Seitle. Telefon: 084 54 14 02,
E-Mail: seitle@seitle.de,
Internetseite: www.seitle.de.

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