Passionsspiele-Doku kommt in die Kinos

München/Oberammergau - Die Passionsspiele in Oberammergau sind einzigartig. Ein ganzes Dorf widmet sich alle zehn Jahre einem gemeinsamen Ziel: die Leidensgeschichte Jesus Christus auf die Bühne zu bringen. Dann steht das öffentliche Leben außerhalb des Passionstheaters fast still, die Männer lassen sich monatelang Bärte und Haare wachsen, zur Premiere kommt die große Prominenz und die ganze Welt blickt auf das oberbayerische Voralpendorf.
Das ist Stoff für einen Film, dachte sich Dokumentarfilmer Jörg Adolph. Und darum hat er den Passionsspielen ein filmisches Denkmal gesetzt. An diesem Donnerstag (17. November) kommt „Die große Passion“ ins Kino. Zwei Jahre lang hat Adolph den Ort auf seinem langen Weg von den ersten Vorbereitungen bis zur letzten Aufführung der Passionsspiele im Herbst 2010 begleitet. Rund 200 Drehtage hat er darin investiert. „Das berühmteste Dorf der Welt spielt die größte Geschichte aller Zeiten“, beschreibt die Produktionsfirma den Plot.
Das Material war am Schluss 300 Stunden lang. Für den Film hat der Regisseur es auf knapp zweieinhalb Stunden zusammengeschnitten. „Für diese Wucht und diese epische Dimension, die das Stück hat, musste es einfach ein so langer Film werden“, sagt Adolph, der aus Nordhessen stammt und vor dem Film nie mit den Passionsspielen zu tun hatte. Er selbst hält sich mit Interpretationen völlig zurück: „Die Idee war, dass wir die Oberammergauer für sich selbst sprechen lassen“, sagt er im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa beim Filmfest München, wo der Film im Sommer seine Weltpremiere feierte. Darum gibt es keine Kommentare eines Erzählers aus dem Off – ebenso wenig wie Interviews.
Adolph hält – im Stil des Direct Cinema – einfach die Kamera drauf und zeigt die Szenen des Ausnahmezustandes, in dem sich die kleine Gemeinde alle zehn Jahre wieder befindet. Er zeigt die Schauspieler in der Probenpause – und in voller Montur – beim Kickern oder Jesus-Darsteller Frederik Mayet, wie er „Scheiße“ sagt, als er ans Kreuz geschlagen wird. Adolph begleitet den zweiten Jesus-Darsteller Andreas Richter mit der Kamera sogar bis unter die Dusche, wo er sich frisch macht für die Auferstehung.
Diese Bilder geben einen so direkten Einblick in die Arbeit in Oberammergau, wie es ihn für den Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich noch nie gegeben hat. Der Film zeigt aber auch, dass der Oberammergauer Ausnahmezustand alles andere als einfach ist. Bei Streitigkeiten im Gemeinderat war Adolph dabei und bei den ersten Proben, in denen Spielleiter Christian Stückl den Theater-Anfängern erst einmal dabei helfen musste, sich an die Bühne zu gewöhnen. Bei der Passion dürfen nur gebürtige Oberammergauer auf der Bühne stehen – oder solche, die schon länger als 20 Jahre in dem kleinen Ort leben.
Immer wieder werden hinter der Bühne auch Diskussionen geführt. Eine davon hat Adolph mit seiner Kamera eingefangen. „I glaub der Jesus, der dad sich kaputtlachen, wenn er da hocken dad“, sagt Stückl da im Dialekt. „Weil eine katholische Kirche wollte er ned. Er hat gsogt: Schaugst auf die Menschen“, sagt Stückl. „Wenn er uns etwas lehrt, dann lehrt er uns eine absolute Hinwendung zum Anderen, zum Menschen.
Und dann, wenn des passiert is, dann is das Reich Gottes da. Aber des is dann koa katholisches Reich.“ Stückl ist erklärter Mittelpunkt des Films – als besessener und dauerrauchender Theatermacher und Motivator mit zerzaustem Haar. „Wie er es schafft, diese mehr als 2000 Mitwirkenden zu bewegen, das ist unglaublich“, sagt Adolph. „Das Stück ist schon auch eine große Liebeserklärung, eine große Hommage an Christian Stückl.“