Passierte hier der tödliche Fehler?

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So funktioniert das Zugsicherungssystem PZB.
dpa So funktioniert das Zugsicherungssystem PZB.

Am Tag nach der Katastrophe in Bad Aibling durchsuchen Polizeibeamte das Stellwerk von Bad Aibling. Der Fahrdienstleiter wird vernommen, aber kein „dringender Tatverdacht“ festgestellt.

Bad Aibling/München - Zehn Menschen sind tot – und noch immer ist unklar, warum sie sterben mussten. War technisches Versagen Schuld daran, dass am Dienstagmorgen zwei Meridian-Züge bei Bad Aibling frontal zusammenstießen? Führte der Fehler eines Menschen zur Katastrophe? Oder kam beides auf unheilvolle Weise zusammen?

Fest steht: Die beiden Bahnen, die in entgegengesetzter Richtung auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim unterwegs waren, wären sich normalerweise am Bahnhof Kolbermoor begegnet. Dort hätte einer der Züge über ein Ausweichgleis am anderen vorbeifahren können.

Doch der Zug aus Holzkirchen hatten offenbar einige Minuten Verspätung – und der Meridian aus Rosenheim wartete nicht wie sonst in Kolbermoor auf den Nachzügler, sondern fuhr nach kurzem Stopp weiter in Richtung Bad Aibling. Wenige Minuten später rasten die Meridiane beinahe ungebremst ineinander. Warum?

Mehrere Medien berichteten gestern, der Fahrdienstleiter im Stellwerk Bad Aibling habe einen tödlichen Fehler begangen – und beide Züge gleichzeitig auf dieselbe Strecke geschickt. Ein Polizeisprecher vor Ort sagte allerdings, ein Fehler oder Vergehen könne nicht ausgeschlossen werden. Doch sei der Fahrdienstleiter bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Regionalzüge befragt worden, und daraus ergebe sich noch „kein dringender Tatverdacht“.

Am Mittwochmittag durchsuchten mehrere Polizeibeamte das Bad Aiblinger Stellwerk und sicherten Unterlagen. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) arbeitet inzwischen eine 50-köpfige Sonderkommission der Kriminalpolizei an dem Fall.

Die Strecke der Mangfalltalbahn ist – wie nahezu alle Trassen in Deutschland – mit dem Sicherungssystem „Punktförmige Zugbeeinflussung“ (PZB) ausgestattet.

 

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Technik auszuhebeln

 

Dabei empfängt ein Gerät in der Lok Signale, wenn ein magnetisches Feld am Gleis überfahren wird – zunächst von einem „Vorsignal“ und einen Kilometer später vom „Hauptsignal“. „Das Vorsignal kündigt eine Einschränkung an – zum Beispiel ,Halt erwartet’. Der Lokführer muss diese Meldung bestätigen und das Tempo verlangsamen. Tut er das nicht, wird der Zug automatisch zum Stehen gebracht“, erklärt Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn.

Steht das Hauptsignal auf Rot, darf der Lokführer es nicht überfahren – sonst wird eine Zwangsbremsung eingeleitet.

Allerdings gibt es mehrere Möglichkeiten, diese Technik „auszuhebeln“ – etwa bei einer Störung. „Wenn zum Beispiel ein Lämpchen kaputt ist, schaltet das Signal automatisch auf Rot“, sagt Andreas Barth. „Der Fahrdienstleiter sieht jedoch an seinem Stellwerk, dass auf der Strecke alles okay ist. Dann kann er dem Lokführer über Funk den Befehl zum Überfahren des Signals geben.“

Der Mann im Führerhaus drückt die „Befehlstaste“ und verhindert damit die Zwangsbremsung.

Mit Hilfe des Störschalters in der Lok kann sogar das gesamte PZB-Sytem außer Kraft gesetzt werden. „Aber“, sagt Andreas Barth, „ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, in dem ein Lokführer so etwas vorsätzlich gemacht hätte.“ Schließlich würden die Zugführer sich und ihre Passagiere so sehenden Auges in Lebensgefahr bringen.

Liveblog aus Bad Aibling: Bergung der Züge gestaltet sich kompliziert

Was den Münchner Experten verwundert: „Normalerweise gibt der Fahrdienstleiter eine Strecke frei, stellt also aktiv die Signale auf Grün. Befindet sich noch ein Zug auf dem Gleis, wird er von der Technik daran gehindert.“ Ist das System defekt, muss er mit beiden Zugführern sprechen, bevor er die Strecke freigeben darf.

Klarheit soll nun die Auswertung von drei Blackboxen aus den Unglückszügen bringen, von denen aber erst zwei gefunden sind. Das Gerät zeichnet die Geschwindigkeit, Zeit, Wegstrecke, die Befehle des Lokführers, Funksprüche und die Eingriffe des PZB-Systems auf.

 

 

 

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