Partygesellschaft im Hotel am Rhein

„Götterdämmerung“ in Bayreuth: Jubel für Christian Thielemann, Chor und Orchester, Buhs und Bravos für die Regie.
von  Abendzeitung
Siegfried (Christian Franz, re.) wurde von Hagen (mit dem Speer: Hans-Peter König) ermordet, wird aber gleich noch einmal singen.
Siegfried (Christian Franz, re.) wurde von Hagen (mit dem Speer: Hans-Peter König) ermordet, wird aber gleich noch einmal singen. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

NÜRNBERG - „Götterdämmerung“ in Bayreuth: Jubel für Christian Thielemann, Chor und Orchester, Buhs und Bravos für die Regie.

Die Bayreuther Festspiele sind ein merkwürdiges Pflaster: Vier Abende lang lässt sich das Publikum von einer peinlichen Regie gängeln, beim Schlussapplaus aber halten sich Buhs und Bravos die Waage. Tankred Dorsts Idee, Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ mit unserer gegenwärtigen „Götterdämmerung“, also Zivilisationsmüll und ökologischer Katastrophe zu konfrontieren, könnte Funken schlagen. Aber die Umsetzung gerät auch im vierten Jahr schlampig, weil Dorst die einmalige Bayreuther Chance ungenutzt lässt, kontinuierlich an seiner Inszenierung zu feilen. Binnenlogik? Figurenführung? Fremdworte für Dorst.

Warum ist in der „Götterdämmerung“ die Halle der Gibichungen ein Hotel, warum die dekadente Gesellschaft (mit Lesben-Paar und vergoldetem Opfer-Widder — sehr originell) eine der 20er Jahre? Sind Hagen und seine braunberockte Truppe Nazis, Siegfried ein Held oder triebgesteuerter Tor? Hier will nichts aufgehen, kommt man mit Logik nicht weiter. Stattdessen Stehtheater und Pathosgesten.

So war es auch in der „Götterdämmerung“ sinnvoll, wie in den Verwandlungsmusiken (mit störenden Umbaugeräuschen) die Augen zu schließen und sich dem delikaten Rausch hinzugeben, den Christian Thielemann und sein Festspielorchester entfachten. Leichthändig gliedern sie die Klangmassen, schälen subtil die Leitmotivik heraus und scheuen den Wagnerschen Pathos nicht. Ebenso differenziert der Chor, verständlich beim Aufschrei wie im Flüstern.

Weniger überzeugten die Solisten, wobei sich Thielemann keine große Mühe gab, die Orchesterlautstärke sängerfreundlich zu drosseln: Linda Watsons Brünnhilde begann fulminant, köchelte aber im dritten Akt auf Sparflamme. Christian Franz’ Siegfried rettete sich nur mit Mühe in den Tod, Hans-Peter Königs Hagen strömte kräftig, aber belegt. Klar und hell hingegen Christa Mayers Waltraute, die schon als Erda in „Rheingold“ und „Siegfried“ beeindruckte. Wie an den anderen Abenden war ein Textverständnis Glückssache.

Glänzen will dieser „Ring“ also nicht. Vielleicht gelingt es dem nächsten, 2013 zu Wagners 200. Geburtstag geplant. Die Ernennung des Regieteams ist die erste wichtige Entscheidung der neuen Leiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier und wird noch in diesem Jahr erwartet.Georg Kasch

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