Opfer-Vater: Dieses Monster zerstörte meine Familie!
Kneipen-Wirt Stefan S. (47) steht bereits zum zweiten Mal wegen Mordes vor Gericht. Er sagt kein Wort. Wie krank er ist, muss ein Psychiater klären.
NÜRNBERG Er hat schon manche schlimme Stunde erleben müssen: Krieg und Hunger, Entbehrungen und den Tod seiner geliebten Frau. Doch gestern war für Gerd H. (80) ein ganz besonders schwerer Tag. Da saß der betagte Rentner, der sein halbes Leben lang in der Gießerei von Siemens schuftete, im Zuschauerraum des Nürnberger Schwurgerichtssaals und blickte dem Mörder seiner Tochter Helga (57) ins Gesicht. Jenem Monster, das schon einmal eine Frau umgebracht hat.
„Ich hatte gleich so ein ungutes Gefühl"
„Ich hatte gleich so ein ungutes Gefühl, als ich ihn am Anfang sah“, erinnert sich Gerd H. an seine erste Begegnung mit Stefan S. (47). Da saß er ihm in der Wohnung seiner Tochter gegenüber. Er betrachtete dessen auffallende Tätowierungen an den Armen und seine erstaunliche Fingerfertigkeit beim Mischen der Rommé-Karten.
Ein paar Wochen später, in den frühen Morgenstunden des 17. Juli letzten Jahres, brauchte Stefan S. keine Fingerfertigkeit. Da genügte rohe Gewalt: Mit zwei brutalen Messerstichen in die Brust, so die Anklage, erstach der ehemalige Kneipenwirt („Havanna libre“) aus Schoppershof die wehrlose Frau.
Den Zuhörern im Gerichtssaal stockte der Stem
Vor Prozessbeginn hatte das Stimmengewirr einer Schulklasse die sonst übliche Stille auf dem Gerichtsflur durchbrochen. Kurz darauf, als Staatsanwalt Reinhold Wenny die Anklageschrift verlas, saßen aber nicht nur die Schüler schockiert und mäuschenstill im Gerichtssaal. Auch den übrigen Zuhörern stockte der Atem, als das schauerlichste Detail des Mordes zur Sprache kam. Stefan S., davon sind die Ermittler überzeugt, hatte noch Sex mit dem toten Opfer . Damit wies das Verbrechen eine Parallele zu jener Tat auf, für die Stefan S. Mitte der 80er Jahre zu 14 Jahren Haft verurteilt worden war. Auch damals, in der Nähe von Kiel, hatte er seine Freundin (26) erstochen – und danach missbraucht!
Der Angeklagte sitzt nur völlig unbeteiligt da und schweigt
Während Gerd H., der Vater des zweiten Opfers, sichtlich um Fassung rang und von der ebenfalls im Gerichtssaal anwesenden Schwester des Opfers gestützt werden musste, verzog Stefan S. auf der Anklagebank keine Miene. Auf die Idee, sein Bedauern auszudrücken, bei den Familienangehörigen um Vergebung zu bitten, oder die unfassbare Tat in irgendeiner Form zu erklären, kam er nicht. „Nein, ich möchte nichts dazu sagen“, war der einzige Satz, den er kaum hörbar von sich gab. Damit ließ er auch offen, warum es unmittelbar vor dem Mord zu einem heftigen Streit mit Helga B. gekommen war. Hausbewohner hatten die lautstarke Auseinandersetzung in der Tatnacht mitbekommen.
Bernd H. kann sich vorstellen, dass seine Tochter von dem früheren Verbrechen ihres Freundes etwas mitbekommen und ihn zur Rede gestellt haben könnte. „Als sie ihn kennenlernte, hat sie sicher nichts davon gewusst. Sie hätte sich sonst nie auf ihn eingelassen“, sagte er in einer Verhandlungspause zur AZ – und zieht mit zitternden Fingern ein Foto seiner Helga aus der Brieftasche. In seinen Augen sammeln sich Tränen, als er einen Blick darauf wirft.
„Der Tag ist schlimm für ihn, aber er wollte den Prozess unbedingt miterleben“, berichtet die Schwägerin. Für sie ist der Tod ihrer Schwester unfassbar: „Wie konnte man ihn nach dem ersten Mord nur wieder aus dem Gefängnis entlassen, so krank wie dieser Mann im Kopf ist.“
Wie krank Stefan S. tatsächlich ist, muss Psychiater Thomas Lippert klären. Die Aufgabe ist nicht leicht. Denn Stefan S. wollte bisher nicht mit ihm sprechen.
Der Prozess geht am Dienstag weiter. Helmut Reister