Opfer klagen an: Todes-Raser, sieh her, was Du getan hast!

Ein Betrunkener (33) rast nach einem Kirchweih-Besuch in eine Polizeikontrolle – ein Jugendlicher stirbt, zwei werden verletzt.
von  Abendzeitung

Ein Betrunkener (33) rast nach einem Kirchweih-Besuch in eine Polizeikontrolle – ein Jugendlicher stirbt, zwei werden verletzt.

NÜRNBERG Sein Sohn Sercan war gerade mal 16 Jahre alt, als er nach dem Besuch der Boxdorfer Kirchweih von einem betrunkenen Raser überfahren und dabei so schwer verletzt wurde, dass er starb. Am Mittwoch im Prozess um fahrlässige Tötung und Körperverletzung gegen den Unfallfahrer Michael H. (33) am Nürnberger Amtsgericht erschien Sercans Vater Bedi S. mit dem Foto seines ältesten Sohnes: „Ich hoffe, er bekommt eine gerechte Strafe“, sagte er.

Doch was ist die gerechte Strafe für einen Mann, der mit knapp zwei Promille auch noch das Leben von zwei weiteren Jugendlichen fast zerstört hat? In der Tatnacht, dem 19. Juli 2008, wurden Sercans Freund Bobby (17) und seine Freundin Mara (14) schwer verletzt.

Verhängnisvolle Polizeikontrolle

Zehn Monate lang lag das hübsche Mädchen im Krankenhaus, fünf davon im Koma. „Der Angeklagte hat mein Leben kaputt gemacht“, sagte sie. „Ich wollte immer Tänzerin werden, jetzt bin ich halbseitig gelähmt“ – Folge der schweren Kopfverletzungen, deretwegen sie auch nur langsam sprechen kann. An den Unfall kann sie sich erinnern, „aber ich wünschte, ich hätte alles im Koma vergessen.“

„Was macht ihr so spät noch draußen?“, hätten Polizisten die Jugendlichen gefragt und die Personalien überprüft. Der Streifenwagen stand am linken Fahrbahnrand, Fernlicht und Dachscheinwerfer waren eingeschaltet, nicht aber das Blaulicht.

„Sie haben mir meine erste große Liebe weggenommen!“

Die Beamten sahen, dass ein Wagen heranraste. „Sie sprangen weg, ohne uns zu warnen“, sagte Mara. Die Kids hatten keine Chance. „Sercan wollte mich noch retten“, so Mara, „er gab mir einen Schubs nach vorne.“ Er erlitt beim Aufprall auf den Ford Escort tödliche Hirnverletzungen, sie überlebte nur knapp. Bobby kam mit einem Oberarmbruch davon. Der Schreinerlehrling leidet seitdem unter Depressionen.

Der Unfallverursacher bat Mara um Verzeihung. Sie sah ihn ruhig an und sagte: „Sie haben mir meine erste große Liebe weggenommen!“ Da flossen viele Tränen in dem mit Freunden und Familienangehörigen der Opfer vollbesetzen Saal.

„Es ist meine Schuld“, gestand der Angeklagte (Verteidiger Norbert Schreck). Er sei von den Scheinwerfern des Polizeiautos so geblendet gewesen, dass er nichts gesehen habe. Getrunken habe er, weil er an dem Tag seine Stelle als Lagerist verlor. Gestern wurde er zu 18 Monaten Haft (Höchststrafe: fünf Jahre) und dreieinhalb Jahren Führerscheinentzug verurteilt. cis

Mehr über den Streit um die Mitschuld der Polizisten lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Mittwoch, 27. Mai.

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