Ohne Kanal wäre Franken eine Wüste

Teil 1 der großen AZ-Serie: Was richtet der Klimawandel in unserer Region an? Wie sieht Franken im Jahr 2030 aus? Gibt es Anzeichen für einen Wandel?
von  Abendzeitung

Teil 1 der großen AZ-Serie: Was richtet der Klimawandel in unserer Region an? Wie sieht Franken im Jahr 2030 aus? Gibt es Anzeichen für einen Wandel?

NÜRNBERG Die ganze Welt redet vom Klimawandel: Die Atmosphäre erwärmt sich, das Polar-Eis schmilzt, die Meere steigen an, Wasser wird knapper, Pflanzen und Tiere sterben aus. Doch was richtet der Klimawandel in unserer Region an? Wie sieht Franken im Jahr 2030 aus? Wo sehen Menschen, die in und mit der Natur in Mittelfranken leben, Anzeichen für einen Wandel?

Wir haben diese Experten gefragt. Heute: Professor Donat-Peter Häder (64), Lehrstuhl-Inhaber für Ökophysiologie der Pflanzen und Direktor des Botanischen Gartens in Erlangen.

Mittelfranken wird wohl Glück im Unglück haben

Aufs Gute im Menschen und dessen Einsicht baut der Wissenschaftler Häder nicht: „Ich sehe, dass wir einen Klimawandel haben, der auch deutlich dramatischer werden wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle in die Hände spucken und von heute auf morgen das CO2-Problem lösen – das geht nur über Politik, Wirtschaft und Geld. Wir werden eine Klima-Änderung bekommen – viel schneller, als wir glauben. Und das könnte dramatisch werden.“

Doch: In Mittelfranken werden wir wohl Glück im Unglück haben – wenn sich die Berechnungen bewahrheiten.

Es gibt Modelle für ganz Europa, die die Auswirkungen der CO2-Emission darstellen. Ökologen haben ihre Schallgrenze, an der sie Alarm schlagen. Sie liegt bei 760 ppm (Parts per Million, Teile pro Millionen). Heute liegt die Konzentration des Klima-Killers Kohlendioxyd (CO2) bei 380 ppm, also der Hälfte. Vor der Industriellen Revolution um 1860 lag sie bei 270. „In 50 Jahren haben wir, wenn wir nichts ändern, diese Schallgrenze erreicht. Verhindern wir den CO2-Ausstoß, weil wir ihn filtern oder das CO2 im Boden versenken – oder mit anderen Technologien – dann können wir die Grenze vermeiden und vorher abbiegen.“

Wenn die Schallgrenze erreicht würde, „gäbe es dramatische Veränderungen der Vegetation in Europa“, so Häder. Aber: „Überraschenderweise um uns herum.“ In Frankreich und Südengland werden Trockenlaubwälder wachsen, wie man sie jetzt aus Südspanien kennt. „Interessanterweise passiert hier in Deutschland fast nichts. Wir sind in einer Nische der Vegetation.“

„Nichts“ ist sicher untertrieben, gemessen am global gefürchteten Chaos aber korrekt. Richtig ist aber auch, dass wir keinen Winter mit Schnee mehr haben werden. Die Skilift-Betreiber in den Alpen werden sich also andere Berufe suchen müssen, und natürlich sind auch die Anfänger-Hügel in der Fränkischen Schweiz passé. „In Nordbayern beträgt die mittlere Wintertemperatur um die 0 Grad. Alleine eine geringe Abweichung um minus 0,5 Grad sorgt für Schnee, bei plus 0,5 Grad gibt es fast keinen.“ Allerdings: „Palmen an der Burg wachsen nicht, da wir immer noch Frost haben werden.“

„In der letzten Eiszeit wuchs hier kein Baum mehr"

Wenn es heißt, der April 2009 sei der wärmste seit der Wetteraufzeichnung, so interessiert das den Wissenschaftler nicht so sehr wie das Jahresmittel. Und langfristig beobachtet sagt diese Zahl, dass der Unterschied zwischen der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren und heute gerade einmal 4,5 Grad Celsius beträgt. „Die Modelle, die wir wegen des Klimawandels errechnet haben, besagen aber, dass wir bei einer befürchteten CO2- Verdopplung eine Erhöhung zwischen 3,5 und 6 Grad haben. Das macht deutlich, wie dramatisch die Sache wird.“

Dennoch sieht Häder Deutschland sehr nüchtern als Gewinner. Auch Franken, wobei es hier Probleme mit dem Wasser geben werde: „In Nordbayern, einer ohnehin schon trockenen Gegend, ist es seit 1980 noch trockener geworden.“ Häder bleibt pragmatisch: Wenn das Wasser wegbleibt und immer tiefere Brunnen gebohrt werden müssen, dann dankt er insgeheim CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Beziehungsweise dessen Betreiben, den Main-Donau-Kanal zu bauen: „Aus dem werden wir unser Wasser holen, um die Felder im Knoblauchsland zu bewässern.“

Dass trotzdem viele Pflanzen sterben werden, sieht der Wissenschaftler fatalistisch – weil es kaum eine Möglichkeit gibt, sie zu retten. „In der letzten Eiszeit wuchs hier kein Baum mehr. Die Tanne hat sich vorher nach Griechenland zurückgezogen und wanderte später wieder zurück. Doch dazu hatte sie 15.000 Jahre Zeit. Wir machen den Klimawandel in nur 100 Jahren, da kommt kein Baum, kein Unkraut nach.“ Die Sumpfdotterblume, unrettbar verloren? Vermutlich: „Eine Pflanzen-Arche Noah stelle ich mir sehr schwierig vor.“

Susanne Will

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