Oennings Baustellen

NÜRNBERG - "Momentan ziemlich durcheinander." Es gibt noch viel zu tun beim 1. FCN. Der Club-Trainer muss seine Innenverteidigung justieren, sollte die Schalt-Zentrale beruhigen und vielleicht einmal mit Javier Pinola reden - die AZ-Analyse.
Eines muss man dem Holper-Club ja lassen: Er hat einen hohen Unterhaltungswert! Leider nicht immer mit dem gewünschten Erfolg. Aber spannend machen es die Jungs von Trainer Michael Oenning allemal. So wie am Sonntag in Wehen, als das 2:2 durch Angelos Charisteas erst in der 93. Minute bewerkstelligt wurde. Oennings Fazit fiel entsprechend aus: „Wir haben viel dafür getan, dass es schwierig wurde.“
Die Analyse von Kapitän und Torhüter Raphael Schäfer geriet noch schärfer. „Naiv und blauäugig“ nannte der die Arbeitsweise seiner Vorderleute in der ersten Halbzeit. Fußball-Lehrer Oenning hat’s gesehen und wird heute, 10 Uhr, an die Arbeit gehen. Seine Baustellen:
INNENVERTEIDIGUNG
Da passt gar nichts zusammen. José Goncalves, 22 Jahre jung, bringt zwar alles mit, hat es aber noch nicht drauf. Er braucht Anleitung – und mehr Ruhe. Nicht jeder Schiedsrichter ahndet einen Kopfstoß gnädig mit einer Gelben Karte. Neuzugang Aleksandar Mitreski konnte Goncalves bei seinem Debüt (noch) nicht helfen. Die Alternativen zu diesem Pärchen sind spärlich. Matthew Spiranovic ist erst 20. FCN-Manager Martin Bader: „Eine Innenverteidigung mit einem 22- und 20-Jährigen birgt auch ein Risiko.“
Also üben. Club-Chef Michael A. Roth: „Wir hatten zu Saisonbeginn eigentlich eine recht stabile Kette. Aber momentan sind sie doch ziemlich durcheinander.“ Was aber auch am Formtief von Javier Pinola liegt. Wie verunsichert der Argentinier ist, zeigt schon der kläglich versiebte Elfer in Wehen. Pinola mit seiner Klasse und seiner Erfahrung müsste ein Stabilisator der Abwehr sein. Das Gegenteil ist der Fall. Oenning führt in solchen Fällen gerne ein Einzelgespräch.
MITTELFELD
Joe Mnari steckt im Ramadan. Das kann motivieren (siehe Seite 10), das kann aber auch schwächen. Also saß Mnari, ein Verfechter der eher ruhigen Spielweise in Wehen nur auf der Bank. Statt seiner versuchte sich Peer Kluge als Ordnungskraft vor der Abwehr – und das ging schief. Kluge ist zwar ein dynamisches Laufwerk. Für Ruhe sorgen kann er nicht. Erst als Peter Perchtold kam (46.), auch eher ein Anhänger des sicheren Passes, wurde es besser. Oenning hat also die Wahl unter drei Kandidaten unterschiedlichen Alters: Mnari (31), Kluge (27) und Perchtold (24), jeder interpretiert seine Rolle als so genannter Sechser anders – was kein Nachteil ist.
STANDARDS
Das stete Klingeln im Club-Kasten bei gegnerischen Versuchen mit dem ruhenden Ball hat Oenning abgestellt. Dafür bleibt viel Luft nach oben, wenn die eigenen Jungs antreten. Zwar schaffte Charisteas nach einer Ecke von Masmanidis den späten Ausgleich, aber zuvor brannte selten die Luft, wenn der Club zum Freistoß oder Eckball ausholte.
ANGRIFF
Isaac Boakye hat sich eine Pause redlich verdient, weil er sehr fahrlässig mit seinen Chancen umgeht. Oenning glaubte vor der Partie in Wehen „ein Luxusproblem“ zu haben, nämlich drei gute Angreifer – und bedauerte, „Härtefall“ Christian Eigler. Nun hofft der Trainer, dass Charisteas „einen Lauf bekommt, weil er mit sich im Reinen ist und wieder Spaß am Fußball hat“. Klingt nach Stammplatz-Garantie für Harry. Mit Eigler an seiner Seite? Der hat sich jedenfalls zu Wort gemeldet: „Ich möchte gerne mal von Anfang an spielen.“ Vielleicht klappt’s am Freitag in Mainz.
Apropos klappen. Nur eines sollten Michael Oenning, seine Profis und auch die FCN-Fans nicht so schnell verlieren: die Geduld. Zur Erinnerung: Nach dem vierten Spieltag der Vorsaison stand Hoffenheim mit nur einem Punkt auf Tabellenplatz 17, Mönchengladbach war mit fünf Punkten Zwölfter, Köln mit sieben Zählern Siebter. Aufgestiegen sind alle drei. ERG