Oberreuter: "Das Ergebnis ist ein bisschen geschönt"
Ein Experten-Gespräch über den Wahlausgang, die Ämtertrennung und Horst Seehofers mögliche Zukunft im Berliner Kabinett.
AZ: Herr Professor Oberreuter, Markus Söder wurde nahezu einstimmig zum Spitzenkandidaten gekürt, Horst Seehofer mit 83,7 Prozent als Partei-chef bestätigt – wie beurteilen Sie dieses Ergebnis?
HEINRICH OBERREUTER: Als überraschend gut angesichts einer so zerrissenen Situation. Man könnte sagen, alle problematischen Parteivorsitzenden ordnen sich jetzt bei 80 Prozent plus X ein. Bei Martin Schulz waren es 81,9 Prozent. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrer letzten Wahl auch nur 89,5 Prozent geholt. Das sind ehrliche Ergebnisse. Bei Horst Seehofer behaupte ich allerdings, dass es auch ein bisschen geschönt ist: Es ist sehr viel Disziplin an den Tag gelegt worden. Und vermutlich hat man auch die Parole ausgegeben „Wählt den Seehofer – aber wählt ihn nicht alle. Es soll ein anständiges Ergebnis zustande kommen“. Das hat er gekriegt.
Was bedeutet dieser Ausgang für die Gespräche über eine Regierungsbildung in Berlin?
Ein sehr viel schlechteres Ergebnis hätte die Glaubwürdigkeit seiner Position untergraben – aber jetzt kann Horst Seehofer sagen: Meine Partei steht hinter mir, und ihr braucht die, weil ihr ohne meine CSU keine Große Koalition bilden könnt. Ich glaube, er kann mit dem Ausgang zufrieden sein – und die Delegierten auch, weil diese Harmonie-Inszenierung die Partei für die nächsten Monate handlungsfähig macht.
Wie lange wird diese traute Einigkeit halten?
Der nächste Stolperstein ist die Landtagswahl im Oktober. Wenn die CSU da die absolute Mehrheit der Mandate nicht verteidigt – was relativ wahrscheinlich ist –, wird die Frage auftauchen: Wer ist schuld? Der Neue oder der Alte? Würden beide gemeinsam die Schuld auf sich nehmen, wäre das eine gute Basis. Aber diese Größe werden beide nicht aufbringen. Dann muss man sehen. Ich bin sowieso der Meinung, dass man die beiden Ämter nicht trennen kann.
Warum nicht?
Weil sie systematisch zusammengehören. Auch der Ministerpräsident ist Parteimitglied, aber der Vorsitzende muss die Linie seiner Partei mit vorgeben, mehr als alle anderen. Er muss Zustimmung organisieren. Wir haben immer die Erfahrung gemacht, dass die Ämter nach einiger Zeit wieder zusammengeführt wurden, weil die Trennung Konflikte nach sich zieht. Da kann Markus Söder reden, was er will: Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm – wenn er Ministerpräsident bleibt – auch der Parteivorsitz zufällt, ist unumstößlich.
Und was wird aus Horst Seehofer, der ja dem Vernehmen nach ins Kabinett möchte?
Ein klassisches Ministerium müsste es schon sein. Auf das Arbeitsministerium wird wahrscheinlich die SPD ihre Hand legen. Aber ich könnte mir das Innenministerium vorstellen, weil er da auf bayerische Erfahrungen zurückgreifen kann. Finanzen wird er nicht machen wollen. Landwirtschaft wird es sicher auch nicht sein – und Entwicklungshilfe ebenfalls nicht, zumal die Union da sowieso einen ihrer besten Minister hat. Das ist zwar irgendwie nicht so wichtig, aber Gerd Müller macht das grandios.
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