Oberaudorf: Das Gasthaus Waller macht dicht
Oberaudorf - Nicht nur in München kränkeln und sterben traditionsreiche Wirtshäuser, oder sie verändern sich dergestalt, dass sie ihr Gesicht verlieren. Auch draußen im oberbayerischen Land ist die gastronomische Welt nicht mehr in Ordnung. Wieder muss ein solches Haus zum Ende des Monats schließen: der uralte Gasthof Waller in Reisach bei Oberaudorf. Anna Armborst, die resche Wirtin, hat das Handtuch geworfen. Grund: "Mia kriagn ma koa Personal nimma."
Zwölf Mitarbeiter würden gebraucht, um Küche und Service auf dem gewohnten Stand halten zu können. Bei Veranstaltungen wie neulich beim Musikfilmfest Oberaudorf, als Senta Berger und ihr Mann Michael Verhoeven zum Frühschoppen-Gespräch kamen, müssen Freunde und Verwandte einspringen.
Viele Stammkunden aus München und Tirol
Obwohl ziemlich versteckt in der Aulandschaft gelegen, hat „der Waller“ zahllose Stammkunden gewonnen. Viele kamen aus München oder aus dem benachbarten Tirol. Die bodenständige Küche, das Rosenheimer Bier und die im Dorf gebraute Weiße namens "Boisei" und nicht zuletzt die niedrigen Preise hatten einen Ruf weithin, den mindestens zwei einschlägige Bücher noch mehrten.
Besonders beliebt ist der Gasthof bei Leuten, die auf dem Inntalradweg wandern. Unter den Kastanien neben dem Bauerngartl ist im Sommer gut relaxen. Die ersten Besucher indes waren Innschiffer, Adelige vom nahen Schlösschen Urfahrn, Klosterbrüder und Pilger. Nur ein paar Hundert Meter entfernt liegt das von Johann Baptist Gunetzrainer erbaute Karmeliterkloster Reisach, wo heute nur noch vier Mönche aus Polen wohnen und beten.
Taverne entstand schon 1750
Um 1750 entstand die klösterliche Hoftaverne, die von 1900 bis heute von der Familie Waller geführt wurde. Ein Medaillon mit Madonna und Kind schwebt über der rustikalen Pforte, die in einen großen Vorraum mit unverändertem Kreuzgewölbe führt.
Auch die beiden Gasträume haben ihr historisches Aussehen bewahrt: dunkles Holz mit feinem Schnitzwerk, kleine Fenster, Kachelofen, Kupferwaschbecken für die Krüge, Ölbilder und Geweihe, manchmal ein Musikinstrument in der Ecke. Alles authentische oberbayerische Wirtskultur, obwohl 1998 ein Großfeuer einiges vernichtet hatte.
Doch dann wurde, mit Hilfe der Nachbarn, die Brandruine unter Verwendung von historischem Holz originalgetreu wiederaufgebaut. Wird es jetzt auch noch so bleiben, wenn die Wallers ihre kleine Heimat verlassen? Das fragt sich auch Oberaudorfs langjähriger Bürgermeister Hubert Wildgruber mit einiger Sorge: "Wir wissen nicht, wer der nächste Pächter sein wird und ob der dann die Wirtschaft im traditionellen Stil weiterführt. Unsere Einflussmöglichkeit ist beschränkt." Das Sagen hat die Auerbräuerei in Rosenheim, die zur Schörghuber-Gruppe gehört, und die hat auf die AZ-Anfrage hin nicht geantwortet.
In München machen Burgerläden in alten Gaststätten auf
Modernisieren und sanieren – das ist in solchen Fällen meist zu erwarten, das Ergebnis kennt man in einigen Fällen. Dass der Betrieb trotzdem und trozt neuer Leitung im alten Stil weitergehen solle, hat man in München in jüngster Zeit mehrmals von den besitzenden Brauereien vernommen. Tatsächlich ist beim Tambosi wenig vom früheren Kaffeehaus-Ambiente übriggeblieben, und in den Drugstore soll jetzt doch, nach erstem Dementi, eine Burger-Kette einziehen (AZ berichtete).
Beim Waller immerhin wird bis zum Ende noch so wie bisher aufgetragen: Die Halbe für 3,30 Euro, das Böfflamott mit Knödel für 12,90 Euro und eine Auswahl selten gewordener bayerischer Mehlspeisen, von der Dampfnudel bis zum Scheiterhaufen.
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