Nur ein ätzendes Live-Erlebnis?
NÜRNBERG - Streit um die Meistersingerhalle: Nürnbergs Musikszene fordert einen besseren Konzertsaal.
Der Gedanke ist bestechend: Nürnberg bekommt einen neuen, Aufsehen erregenden Konzertsaal. Zum Beispiel auf dem Augustinerhofgelände an der Pegnitz, wie ihn die Fotomontage zeigt. Ein Wunsch, der in der städtischen Kulturszene zunehmend und mit Nachdruck geäußert wird, von Dirigenten, Intendanten und Teilen des Publikums. Weder akustisch noch optisch entspricht die Meistersingerhalle, Nürnbergs einziger Saal für Klassikveranstaltungen ab 600 Gästen, den Anforderungen an einen modernen Konzertraum.
Staatstheater-Intendant Peter Theiler, durch die ausgelagerten Philharmoniker-Konzerte mit dem Problem vertraut, meint: „Die Meistersingerhalle ist schlecht erreichbar, hat ungünstige Sichtverhältnisse und keine angenehme Atmosphäre.“ Lucius Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker, kritisiert: „Links hört man nur die hohen, rechts die tiefen Streicher. Zwar ergibt sich ein weiches, rundes Klangbild, aber das ist alles andere als differenziert.“ Julian Tölle, Leiter des Hans-Sachs-Chores, ergänzt: „Nirgends singt es sich so ätzend wie in der Meistersingerhalle.“
Auch die Politik registriert die Klagen. „Wir sehen das Bedürfnis und das Problem. Das beginnt schon damit, dass die sanitären Einrichtungen der Meistersingerhalle keinen barrierefreien Zugang haben“, sagt Kulturreferentin Julia Lehner. Und Rafael Raum, SPD-Kultursprecher im Stadtrat, betont: „Wir haben das Thema auf jeden Fall auf der Agenda. Zunächst brauchen wir eine Bestandsaufnahme: Welche Säle haben wir, wo sind die Defizite, wo ist Bedarf.“ Beim nächsten Kulturausschuss will er einen Antrag dazu stellen. „Und dann müssen wir die Ansprüche genau sortieren. Die Multifunktionalität der Meistersingerhalle würde ich aber nicht in Frage stellen.“
Am Mehrzweck reiben sich viele Kritiker. Denn ohne entschiedene Eingriffe in die Sitzanordnung lässt sich das Konzerterlebnis nicht entscheidend verbessern. „In der Meistersingerhalle steckt noch das Denken der 60er“, sagt Hemmer. „Unten sitzt das Publikum, oben die hohe Kunst. Aber man geht doch heute in ein Konzert, um live zu erleben, wie Musik entsteht. Mein Ideal ist die Berliner Philharmonie, wo man von jedem Platz aus auf die Bühne sehen kann.“ Nur so ließen sich neue Besucherschichten gewinnen.
Auch Norbert Gubo, Geschäftsführer von NürnbergMusik, fordert den Einbau ansteigender Reihen in die Meistersingerhalle — oder einen neuen Saal nach Bamberger Vorbild: „Der könnte die Attraktivität Nürnbergs enorm steigern.“ Außerdem: „Multifunktionssäle haben wir in Nürnberg genug“, sagt Tölle. „Als Mensch, der hier gerne lebt, will ich nicht akzeptieren, dass München mit dem Marstall seinen vierten Konzertsaal bekommt und in Nordbayern die Situation so erbärmlich bleibt. Wenn wir nichts unternehmen, tritt hier in acht bis zehn Jahren kein Orchester mehr auf.“
Also doch eine neue Halle? Bestehende Alternativen — der noch durchs Schauspiel belegte Symphoniker-, der Katharinen-, der Heilig-Geist- oder der Aufseßsaal — sind zu klein, das Opernhaus fest im Spielplangriff. Politisch ist der Wille dennoch schwach. Die ablehnende Haltung von OB Ulrich Maly ist bekannt. Auch Kulturreferentin Julia Lehner macht wenig Hoffnung: „In der jetzigen Situation, in der uns die Steuereinnahmen wie Butter wegschmelzen, sind Neubauwünsche nicht realistisch.“ Einen sicher kostengünstigeren Umbau der Meistersingerhalle sieht sie mit Skepsis: „Selbst wenn man den Denkmalschutz aufhöbe, stellt sich die Frage, inwieweit die Substanz für einen Umbau geeignet ist. Zudem gibt es Architekten-Verträge, die dem juristisch im Wege stehen.“ Dennoch: „ Man muss am Ball bleiben.“ Und Abseitsfallen vermeiden. Georg Kasch
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