Nürnbergs größte Baustelle: Jetzt beginnt der Schluss-Spurt

Mitte 2011 soll die vollautomatische U-Bahnlinie 3 bis zum Friedrich-Ebert-Platz fahren. Bis die Züge dort rollen, gibt es noch viele Herausforderungen zu bewältigen.
von  Abendzeitung

Mitte 2011 soll die vollautomatische U-Bahnlinie 3 bis zum Friedrich-Ebert-Platz fahren. Bis die Züge dort rollen, gibt es noch viele Herausforderungen zu bewältigen.

NÜRNBERG Noch ist am U-Bahnhof Maxfeld Endstation. In knapp 18 Monaten jedoch soll die vollautomatische U 3 weiter nach Nordwesten rasen. Die Vorbereitungen für die unterirdische Verbindung vom Stadtpark bis zum Friedrich-Ebert-Platz laufen auf Hochtouren. Jetzt beginnt der Schluss-Spurt auf Nürnbergs größter Baustelle.

In zwei bis 15 Meter Tiefe schlängeln sich zwei Röhren durch die Nordstadt. Tag für Tag sind dort etwa 70 Menschen am Werk, die mit gelben Gummistiefeln, roten Bauhelmen und orangen Warnwesten aus dem Grau des Tunnels herausstechen. Betonbauer, Zimmerer und Elektriker arbeiten sich Schritt für Schritt durch den Rohbau. Sie bohren, hämmern, klopfen. Mittendrin steht Bauleiter Rudolf Friedrich von der Stadt Nürnberg. Er koordiniert und kontrolliert das Geschehen über und unter der Erde. Eine spannende Aufgabe – und gefährlich!

Das Masse-Feder-System soll Erschütterungen ausgleichen

„Eine Stelle beim Tunnelbau war besonders kritisch“, erzählt der Bauleiter. Nahe dem Friedrich-Ebert-Platz fräste sich die Schnittmaschine mit nur einem Meter Abstand zum darüber liegenden Gebäude durch den Untergrund. Besonders bemerkenswert: „In dem Haus befindet sich eine Bank, deren Tresor im Keller direkt über dem Tunnel lagerte“, verrät der Bauleiter.

Trotz mancher Befürchtungen musste die Bank aber nicht in die Röhre schauen. Sie gab nach der Fertigstellung des Rohbaus Entwarnung. Geld und Schätze blieben unversehrt. Inzwischen sind Wertstücke und Tunnel durch eine dicke Betonwand getrennt. Auf das freigelegte, unterirdische Gebirge wurde eine Außenschale als Stütze betoniert. Darüber liegt eine wasserdichte Betonschicht.

Im Moment nehmen sich die Arbeiter gerade den Boden der sechs Meter breiten Einzelröhren vor. Dort wird eine durch Hohlräume elastische Betonschicht aufgetragen. Dieses sogenannte Masse-Feder-System soll Erschütterungen der Züge ausgleichen und deren Schall dämpfen.

„Wir kommen gut voran", erklärt Bauleiter Friedrich. „Auf der Strecke vom Kaulbach- zum Friedrich-Ebert-Platz können wir ab Februar mit dem Gleisbau starten. Das ist dann vor allem eine logistische Herausforderung.“ Gleisteile und Geräte werden größtenteils via U-Bahn-Netz aus dem Betriebshof in Langwasser zur Baustelle in die Nordstadt gebracht. Dazu müssen die Züge mit dem Baumaterial an Bord in den regulären Fahrplan eingefädelt werden oder nachts nach Betriebsschluss fahren.

Beim Blick in die Röhren fällt sofort auf, dass der Streckenverlauf wie bei einer Berg- und Talfahrt steigt und fällt. An den Bahnhöfen erreicht er seinen Höchststand. So ist der Aufstieg ans Tageslicht möglichst kurz. Das Auf und Ab hat auch einen Energiespareffekt. Die Züge brauchen durch das Gefälle weniger Energie zum Beschleunigen, die Steigung wiederum unterstützt den Bremsvorgang.

Bis zum Tunnel im jetzigen Zustand war es ein langer Weg. Vor gut zwei Jahren startete die Aushöhlung des Tunnels. Etwa zehn Meter schafften Mensch und Maschine am Tag, 60 Meter in der Woche. Da jeder Stopp bei den Vorstoßarbeiten tausende Euros verschlungen hätte, wurde 15 Monate lang rund um die Uhr geschuftet.

Eine Mauer des Staatsarchivs sank um acht Millimeter

Das hinterließ im Tunnel, und teils auch an den Gebäuden Spuren. Eine Mauer des Nürnberger Staatsarchivs sank um acht Millimeter. Doch das sei kein Grund zur Sorge, so der Bauleiter. „Wir waren auf größere Veränderungen gefasst. Außerdem sind alle Gebäude vor und während des Vorstoßes genau untersucht worden.“ Entlang der unterhöhlten Häuser sind dazu nummerierte Bolzen angebracht. Bei regelmäßigen Kontrollen wurden nur minimale Veränderungen entdeckt. Für Schäden, die durch den U-Bahnbau entstehen, gibt es eigens eine Versicherung. Diese zahlte auch den Austausch einer Brandschutztür im Staatsarchiv, die sich nicht mehr schließen ließ. Nun, da der Tunnelrohbau fertig ist, dürften derartige Überraschungen nicht mehr vorkommen, meint der Bauleiter.

Die Eröffnung der beiden Bahnhöfe Kaulbach- und Friedrich-Ebert-Platz ist für Mitte 2011 geplant. Der genaue Termin steht aber noch nicht fest.

Bis dahin werden Bauleiter Friedrich und sein Team noch oft in den Tunnel steigen. Erst am frühen Abend ist Schicht im Schacht. Ein weiterer winziger Meilenstein des rund 66-Millionen teuren Projekts ist geschafft. scs

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