Nürnbergerin (82): „So erlebte ich die Reichskristallnacht“
Eva Rößner erinnert sich an das Nazi-Pogrom vor 70 Jahren. Heute tritt sie vor Schülern auf.
NÜRNBERG Die kleine Mokkatasse hütet die Nürnbergerin Eva Rößner (82) wie einen Schatz. Das Trinkgefäß, das einmal ihren Großeltern gehörte, ist einer der wenigen Gegenstände aus deren Besitz, die die berüchtigte „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 unbeschadet überstanden haben. Für Eva Rößner ist es ein Erinnerungsstück voller Wehmut und Schmerz.
Das Institut für Medien- und Projektarbeit (Imedana) sorgt dafür, dass das düstere Kapitel in der Geschichte Nürnbergs nicht in Vergessenheit gerät. Das Projekt „Jugendliche erinnern an die Reichspogromnacht“ findet heute statt. Erst unternehmen Mitglieder der Jungen HumanistInnen einen Stadtrundgang aus dem Blickwinkel der schreckliche Ereignisse vom 9. November 1938 (Treffpunkt 17.30 Uhr, AOK-Haupteingang, Frauentorgraben 49). Danach, um 19 Uhr, findet in der Aula der Hauptschule Hummelsteiner Weg ein Gesprächsabend statt. Im Mittelpunkt: die Zeitzeugin Eva Rößner, deren Familie zum größten Teil von den Nazis umgebracht wurde.
Sie war zwölf Jahre alt, als sie in der zerstörten Wohnung ihres Onkels stand. Er und nahezu alle anderen Nürnberger mit jüdischer Abstammung waren in der „Reichskristallnacht“ das Ziel johlender SA-Horden, die alles kurz und klein schlugen – und mordeten. Sechs Nürnberger wurden totgetrampelt, 19 begingen vor Angst Selbstmord, Dutzende von Wohnungen waren nur noch ein Schutthaufen. Eva Rößner: „Spätestens nach diesen Ereignissen konnte keiner mehr sagen, er hätte von nichts gewusst.“
Heute Abend spricht sie mit den Schülern über ihre Erlebnisse während des Dritten Reichs, das sie selbst nur wie durch ein Wunder überlebte.
Ihre Großeltern, die von den Nazis in das Ghetto Izbica in Polen deportiert wurden, sah Eva Rößner nie mehr. Auch nicht mehr die Brüder ihres Vaters und deren Familien.
Helmut Reister