Nürnberger im Knast – weil sich die Ex-Frau rächte?

Vergewaltigung als Vorwurf – der Angeklagte beteuert seine Unschuld
NÜRNBERG Am Montag beginnt für Hassan B. (43, Name geändert) ein Leben, wie er es sich bestimmt nicht vorgestellt hat. Spätestens um 15 Uhr muss der Familienvater aus Nürnberg eine dreijährige Gefängnisstrafe antreten. Im Urteil steht, dass er seine Ehefrau mehrfach vergewaltigt hat – doch in seinem Fall sind Zweifel erlaubt.
In Nürnberg betrieben Hassan und seine Frau einen Imbiss. Die Welt schien in Ordnung. Das änderte sich nach einem Heimaturlaub in der Türkei. Die Eheleute, die eine Tochter im schulpflichtigen Alter haben, zerstritten sich heillos. Sie reichte die Scheidung ein, die 2007 erfolgte, und wurde zum Versorgungsausgleich für ihren Mann verpflichtet.
Strafanzeige aus heiterem Himmel
Bis dahin handelte es sich um die formale Abwicklung einer gescheiterten Ehe. Das sollte sich rasch ändern. Aus heiterem Himmel, wie Hassan beteuert, wurde er mit der Strafanzeige seiner Ex-Frau konfrontiert. Er hätte sie im Verlauf ihrer mehr als zehnjährigen Ehe immer wieder geschlagen. Vollends vor den Kopf geschlagen fühlte sich Hassan B., als sich die zu Protokoll gegebenen Vorwürfe seiner Frau nach und nach steigerten und er als ein wahres Monster dastand. Dreimal pro Woche hätte er seine Frau zum Sex gezwungen. Hassan B. kam in U-Haft. Dreieinhalb Monate saß er dort, bis dem Ermittlungsrichter Zweifel kamen und Hassan B. auf Kaution entlassen wurde.
Die Hoffnung, dass damit der Spuk für ihn vorbei sein könnte, erfüllte sich nicht. Von den Vorwürfen der Serien-Vergewaltigung war in der Anklageschrift zwar nichts mehr zu lesen, aber es blieb genug übrig, um ihm den Prozess zu machen. Dreimal, so der Vorwurf, hätte er seine Frau vergewaltigt.
Das Urteil lautete auf drei Jahre Haft
Hassan B. schwört, dass es nicht so war. Vor Gericht half ihm das nicht. In zwei Instanzen wurde er zu drei Jahren Knast verurteilt, weil die Richter seiner Frau mehr glaubten, als ihm. Objektive Beweise für die Schuld oder Unschuld des Mannes gibt es nicht. Bernd Ophoff, der neue Anwalt des Verurteilten, will ein Wieder-aufnahmeverfahren durchsetzen. Zur AZ sagte er: „Meiner Einschätzung nach hätte der Mann niemals verurteilt werden dürfen. Dazu haben die Beweise nie ausgereicht.“
Hassan B. bezeichnet die Vorgehensweise seiner Ex-Frau als einen Racheakt. Die Folge ihrer Anzeige und die Verurteilung haben auch dazu geführt, dass Hassan die Tochter nicht mehr sehen darf. Das schmerzt ihn besonders. Völlig aus der Luft gegriffen sind Mutmaßungen über einen Racheakt nicht. Schon vor Jahren machten Staatsanwälte eine zunehmende Tendenz aus, dass in Scheidungsverfahren oft mit schmutzigen Tricks gearbeitet und der Vorwurf sexueller Übergriffe erhoben wird. Damit soll der Partner massiv unter Druck gesetzt werden.
Im letzten Jahr saßen in Nürnberg 49 Unschuldige hinter Gittern
Hassan B. ist am Boden zerstört. „Ich bin unschuldig“, versichert er auch einen Tag vor Antritt der Haft. Der erste, der unschuldig hinter Gittern landet, wäre er nicht. Erst vor wenigen Wochen berichtete die AZ, dass 2008 allein im Einzugsbereich des Oberlandesgerichts Nürnberg 49 Menschen für unschuldig erlittene Haft entschädigt werden mussten.
Helmut Reister