Noch vor den Wahlen im Osten: Linken-Spitze kündigt Rückzug an

Berlin/München - Die Ankündigung des Abschieds verlief wie die bisherige Arbeit der amtierenden Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan: Beide verfassten eigene Erklärungen, anstatt sich gemeinsam zu äußern.
Sonderlich harmonisch hatte das Duo nie gewirkt, seit es im Juni 2022 als Doppelspitze die Leitung der Linkspartei übernahm. Überraschend und plötzlich kam die Nachricht trotzdem: Im Oktober kandidieren beide beim Parteitag nicht mehr für den Vorsitz.
Linken-Spitze: Rückzug schon vor Wahlen im Osten
Bislang hatten die zwei Linken den Anschein erweckt, die Ost-Wahl im September abwarten zu wollen, um dann über personelle Schritte zu entscheiden.
Sie sei dafür, "erst die Inhalte und die Strategie zu diskutieren und dann über die personelle Aufstellung zu reden", sagte Wissler kürzlich der AZ.

Im September wollte die Partei "Geschlossen für den Osten" (Wahlkampfmotto) auftreten und für soziale Politik sowie gegen rechte Hetze kämpfen. Nach der Ankündigung des Rückzugs dürfte es für die Linke vor Ort schwer werden, diesen Anspruch noch durchzusetzen.
Seit der Bundestagswahl 2021 geht es stetig bergab, die Gründung des BSW durch die abtrünnige ehemalige Linken-Ikone Sahra Wagenknecht verstärkte den Abwärtstrend. Bei der Europawahl im Juni holte sie nur noch 2,7 Prozent der Stimmen, halb so viele wie fünf Jahre zuvor.
Alle Hoffnungen liegen auf Thüringen
Nach der Europawahl-Klatsche richtete die Linke ‒ die 2007 aus der Verschmelzung des SPD-Ablegers WASG mit der SED-Nachfolgepartei PDS hervorging ‒ ihre Hoffnung vor allem auf den 1. September und die Landtagswahl in Thüringen.
Schirdewan ist seit 2017 EU-Parlamentarier. Er hatte vor allem zuletzt oft so gewirkt, als ob ihm die Arbeit in Brüssel und Straßburg näher liege als die in Berlin. Wissler hatte den Posten bereits vor dreieinhalb Jahren und damit früher als Schirdewan übernommen.
Sie wirkte zuletzt müde, in ihrer am Sonntag veröffentlichten Erklärung heißt es unter anderem: "Ich will nicht verhehlen, dass die letzten dreieinhalb Jahre an der Parteispitze enorm kräftezehrend waren." Namen für die Nachfolge wurden noch nicht genannt.
Linke in Bayern sieht BSW nicht als Hauptproblem
Bei der Linken in Bayern blickt man auf eine "sehr schwere Zeit" zurück, sagt Landessprecher Martin Bauhof.
"Gleichzeitig sind wir dem Führungsduo dankbar, dass sie uns genug Zeit geben und den Weg freimachen für neue Vorsitzende", so Bauhof zur AZ. Wichtig sei es, sich auf wieder wichtige Themen wie Wohnen zu fokussieren, anstatt über andere Themen streiten zu müssen. In Bayern spiele das BSW jedoch eine untergeordnete Rolle.