"Noch nicht erlebt": Bund Naturschutz läuft Sturm gegen Aiwanger-Pläne
München – Der Ehrenvorsitzende des Bund Naturschutz (BN) Hubert Weiger zeigte sich am Mittwoch fassungslos: "In 50 Jahren Aktivität für den Naturschutz habe ich so etwas noch nicht erlebt." Gemeint war ein Referentenentwurf für eine Novelle des bayerischen Jagdgesetzes, der seit einiger Zeit kursiert und schon anderenorts für Kritik sorgte.
Die Vorlage aus dem Hause von Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sei "ein zentraler Angriff auf den kompletten Artenschutz", so der langjährige BN-Vorsitzende.
Artenschutzexpertin: Aiwanger-Ministerium fehlt die Fachkenntnis
Wenn es nach dem Jagdminister gehe, läge die Verantwortung für Kernfragen des Schutzes von gefährdeten Arten wie Luchs, Wildkatze, Feldhamster, Goldschakal und viele Vögel nicht mehr bei den Naturschutzbehörden, sondern beim Wirtschaftsministerium und der dort angesiedelten obersten Jagdbehörde, sagte BN-Artenschutzexpertin Christine Margraf. Die Jagdbehörden sollten demnach auch über Erhaltungs- und Gefährdungszustand von Wildtieren entscheiden, die bislang nicht im Jagdrecht stehen, sowie über solche, die ganzjährig geschont sind.

Das sei völlig absurd, weil man im Aiwanger-Ministerium weder über die nötige Fachkenntnis noch über Expertise für europarechtlich geschützte Arten verfüge, sagte Margraf.
Einzelne Kompetenzen wolle das Wirtschaftsministerium zu diesem Zweck sogar aus dem Landesamt für Umwelt herauslösen.
BN spricht von "Generalangriff" auf das Artenschutz-Volksbegehren
Weiger sieht in dem Gesetzentwurf das Ergebnis von "Lobbyarbeit". "Niederbayerisches Landrecht" dürfe aber nicht über Sachverstand und Kompetenz gestellt werden. Auch der allgemein akzeptierte Grundsatz "Wald vor Wild" werde in Frage gestellt, wenn das Jagdrecht dem Naturschutz vorgehe. Der Vorstoß aus dem Hause Aiwanger sei nicht zuletzt auch ein "Generalangriff" auf das erfolgreiche Artenschutz-Volksbegehren "Rettet die Bienen" von 2019.
Die Naturschützer zeigten eine breite Palette an Maßnahmen auf, mit welchen sie die Umsetzung des Entwurfs in geltendes Recht verhindern wollen. Juristisch habe man mit dem deutschen Verfassungs- und dem EU-Recht "einiges im Kreuz", sagte Weiger.
Neues Volksbegehren als "Ultima Ratio"?
Laut einem vom BN beauftragten Rechtsgutachten überschreitet der Jagd-Entwurf die rechtlichen Zuständigkeiten und greift tief in den Kernbereich des Artenschutzes ein.

"Das geht in das Herz des Naturschutzes", sagte der BN-Ehrenpräsident. Als "Ultima Ratio" schließt Weiger daher ein erneutes Volksbegehren nach dem Vorbild von "Rettet die Bienen" nicht aus. Zunächst aber wollen die Naturschützer alles dafür tun, dass der Referentenentwurf in der aktuellen Form gar nicht erst zur Kabinettsvorlage und von der Staatsregierung dem Landtag zugeleitet wird.
Hoffnung macht den Naturschützern in dieser Hinsicht die Haltung von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die wie auch andere CSU-Landespolitiker zu Aiwangers "Schnellschuss" auf Distanz gegangen war.
Umweltminister Glauber befürwortet nach Angaben eines Sprechers eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht. Dies sei "insbesondere vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Verfahrens auf EU-Ebene zur Herabstufung des Schutzstatus zielführend." Zu sonstigen Details äußerte sich der Minister nicht. Er verwies darauf, dass sich der Gesetzentwurf "derzeit innerhalb der Staatsregierung in Abstimmung" befinde.