Niemand wird allein gelassen

Schauspielchef Klaus Kusenberg ist zehn Jahre in Nürnberg und bereitet gerade die Komödie „Samstag, Sonntag, Montag“ vor. Ein Interview.
von  Abendzeitung
Ehekrieg am langen Tisch: Klaus Kusenbergs Inszenierung von De Filippos Komödie „Samstag, Sonntag, Montag“ hat am 13. Juni Premiere.
Ehekrieg am langen Tisch: Klaus Kusenbergs Inszenierung von De Filippos Komödie „Samstag, Sonntag, Montag“ hat am 13. Juni Premiere. © Marion Bührle

NÜRNBERG - Schauspielchef Klaus Kusenberg ist zehn Jahre in Nürnberg und bereitet gerade die Komödie „Samstag, Sonntag, Montag“ vor. Ein Interview.

Als Klaus Kusenberg im Jahr 1999 zum Nürnberger Schauspieldirektor berufen wurde, nannte er im ersten AZ-Interview den italienischen Volksstückeschreiber Eduardo De Filippo (1900-1984) als einen seiner Favoriten. Kaum sind zehn Jahre vergangen, steht er auch schon auf dem Spielplan - allerdings nur, weil der Text für die vorgesehene Uraufführung nach Christiane Kohls Roman „Das Zeugenhaus“ nicht rechtzeitig fertig wurde. Nun also mit Premiere am 13. Juni in der Kongresshalle die Komödie „Samstag, Sonntag, Montag“, wo couragierte Frauen gegen die großfamiliäre Macho-Gesellschaft rebellieren. Adeline Schebesch und Frank Damerius an der Spitze des fast kompletten Ensembles.

AZ: Der Autor war in Deutschland mal kurze Zeit durch sein Stück „Die Kunst der Komödie“ im Gespräch - und wurde wieder vergessen. Wollen Sie eine neue Runde einläuten?

KLAUS KUSENBERG: So hoch greifen wir mit unserem Ehrgeiz nicht, ich will einfach einen Autor spielen, den ich als poetischen Realisten immer vor Augen hatte. Mein Ehrgeiz ist nicht die Renaissance von De Filippo, ich will ihn einfach mal inszeniert haben.

Warum hat es dann so lange gedauert, bevor Sie ihn für Nürnberg ansetzten?

Wir machen ja gerne solche anspruchsvollen Unterhaltungs-Stücke, doch es hat sich immer wieder ein anderer Stoff, ein anderer Autor wie etwa Alan Ayckbourn, dazwischengeschoben. Und zeitweise habe ich mir dieses Stück selber verboten, weil es das ganze Ensemble blockiert. Ich dachte, das kriegen wir nie hin.

Und warum jetzt?

Die Konstellation am Ende dieser Spielzeit hat sich mit der Aufschiebung von „Das Zeugenhaus" einfach günstig ergeben. Da war meine Reaktion ganz spontan: Jetzt oder nie!

Jetzt also italienisches Lebensgefühl für den fränkischen Zuschauer. Liegen da nicht Welten von Temperament dazwischen, die Sie überspringen müssen?

Mir geht es nicht um das Ausbreiten exotischer Verhaltensweisen. Ich sehe im Stück einen tragikomisch ausgelebten Ehekrieg voller liebenswerter, an der Realität geerdeter Figuren. Komisch wird das nur durch die Schlüsselloch-Perspektive.

Goldoni-Komödien funktionieren eigentlich nur mit der schnatternden, sich fast überschlagenden Originalsprache. Ist das hier anders?

Ganz anders! De Filippo hat nichts mit Tempo zu tun, ich sehe ihn als Poeten eher auf einer Linie mit Ibsen. Aber er ist eben viel leichter, alltäglicher.

Trotzdem muss es doch eine Brücke zum Italienischen geben, wenn er mit seinem Kampf der Geschlechter nur daheim in Italien als „Volksstückeschreiber" mit dem Blick für den Alltag gilt. Helfen uns die täglichen Berlusconi-Nachrichten beim Verstehen der Konflikte?

Wer weiß! Man kriegt ja fast Mitleid mit diesen Männlein, wie sie sich in ihren scheinbaren Machtposition um Kopf und Kragen reden. Tatsächlich hat die Kulisse der Großfamilie, die man bei uns längst nicht mehr kennt, etwas regelrecht Utopisches. Das ist eine Öffentlichkeit, in der bei allen Problemen ständig irgendwelche Leute reinreden.

Was nicht jedermanns Traum ist...

Klar: Niemand wird allein gelassen – das kann wohltuend sein oder auch nervig.

In Deutschland hatten wir das als legendäre TV-Serie mit Inge Meysel – da hieß es „Die Unverbesserlichen“...

Bei De Filippo sind es lauter Verbesserliche! Die Philosophie lautet „Jetzt vertragt euch mal wieder!“ Das Paar, das drei erwachsene Kinder hat und am Anfang des Stückes so weit voneinander entfernt war, hat sich am Ende wieder gefunden.

Ist es ein Triumphzug der Frauen?

Ach, die Frauen haben es mit sich selber auch nicht leicht. Eine ist eingeschnappt, weil sie für ihre Kocherei nicht genug gelobt wurde. Eine andere, die Tante Amelia, ist eine Bilderbuch-Emanze, die aber den eigenen Sohn im Schlepptau zum unmündigen Etwas degradiert. Es gibt also keine Schwarzweiß-Malerei, sondern bei aller Skurrilität die erstaunte Frage: Wie gehen wir eigentlich miteinander um?

Und wie gehen Sie in Ihrer dritten Inszenierung in der Kongresshalle mit dem dortigen Theater-Schreckensraum um?

Wir gehen mit der Bühne weit ins Publikum hinein und versuchen so nochmal neu, den Raum in den Griff zu bekommen. Die Schauspieler müssen also nach beiden Seiten spielen, das wird noch eine große Aufgabe für die letzte Probenwoche.

Gibt es Kulisse oder nur Requisite?

Es gibt ein paar Möbel, sechs Esszimmer-Tische, die zur großen Tafel zusammengeschoben werden. Dazu Stühle, eine Standuhr und einen versenkbaren Herd. Das genügt.

Für Sie als Regisseur ist es der endgültige Abschied von dieser Spielstätte?

Davon kann man ausgehen, drei Versuche dort sind genug Pflichterfüllung.

Vor der Rückkehr ins Schauspielhaus machen Sie dann nur noch in einem Jahr das Musical „Blutsbrüder" in der Tafelhalle. Was ist dran an dem Gerücht, dass Sie sich dort auch danach eine Auftrittsmöglichkeit erhalten wollen?

Ich glaube, das schaffen wir nicht neben den drei Bühnen im Schauspielhaus, dazu ist unser Ensemble zu klein. Vielleicht mal eine Serie, wenn es wieder so einen Erfolg gibt wie „Ladies Night“. Aber das lässt sich nicht berechnen.

Sie haben im AZ-Interview vor zehn Jahren aufgelistet, was Sie unbedingt in Nürnberg spielen wollen. Nach Thomas Bernhard und Alan Ayckbourn ist jetzt dann Eduardo De Filippo abgearbeitet. Was bleibt noch?

Wenn ich mich richtige entsinne, habe ich Ibsens „Peer Gynt“ als Wunschprojekt genannt. Das gilt nach wie vor.

Interview: Dieter Stoll

Am 7. Juni (11 Uhr) geben Klaus Kusenberg und sein Team bei einer Matinee im Gluck-Saal des Opernhauses Einblick in den Probenprozess.

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