Nicht bange, tralala!

NÜRNBERG - Mit Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdásfürstin“ ist Nürnbergs Oper wieder auf Stimmungsmache.
Wie die Legende erzählt, war Nürnberg einst eine „Operetten-Hochburg“, aber Eppelein von Geilingen steht als Oberspielleiter nicht mehr zur Verfügung und statt großer Sprünge sind von dieser Sparte also allenfalls qualifizierte Stolpereien zu erwarten. Was in der Intendanz von Wulf Konold nach mehreren Betriebsunfällen („Vogelhändler“, „Großherzogin“) zum kleinen Geschmacks-Kompromiss („Das Land des Lächelns“) führte, setzt sich unter Broadway-Fan Peter Theiler nahtlos fort. Er holte Ricarda Regina Ludigkeit, noch eine Schrittwechsel statt Musik inszenierende Choreografin, für Emmerich Kálmáns Evergreen „Die Csárdásfürstin“ und spendierte dem vielsprachig ungardeutschelnd wie aus einem Marika-Rökk-Workshop auftauchenden Ensemble bei allen Gesängen Übertitel zum Mitlesen. Was uns die Philosophie des Ganzen auch schriftlich vor Augen führt: „Ich lasse mir nicht bange machen, tralala“.
Ein rätselhaftes Tiefdruckgebiet liegt über der Aufführung. Am Anfang wird zwar nicht auf dem Vulkan, doch immerhin auf dem Tisch getanzt, am Ende ziehen Soldaten in den Krieg – und stets rieselt im Hintergrund leise der Schnee. Melancholie, die das Happy-End im Paarwechselrahmen blockiert. Da ist die Sängerin Sylva (hübsche Stimme ohne Diva-Hartglanz: Hrachuhí Bassénz) nicht adelig genug für ihren Verehrer Edwin von und zu Lippert Weylersheim (Kurt Schober mit Guttenberg-Gel und Bariton-Methadon in der Tenor-Partie), aber dessen standesgemäße Verlobte (Melanie Hirsch, ganz Soubretten-Souveränität) ist ohnehin für den Spaßvogel vom Dienst vorgesehen.
Diesen Graf Boni, die dankbarste Buffo-Fachpartie überhaupt, verspielt der Finne Kalle Kanttila, der weder in der Stimme noch in der Körpersprache den entkrampften Ton findet und die Dialoge nur fleißig aufsagt. Sobald er mit verzweifelten Chor-Herren Tanzschritte zählt, wird es allerdings lustig – wenn auch unfreiwillig. Mit Sebastian Dominik und Vera Schweiger als Eltern-Oldies mit Adels-Tick wurden Charakter-Schauspieler engagiert, und an ihrer lockeren Konversation im Kleinen lässt sich gut erkennen, was im Großen fehlt.
Rainer Sinells Bühne zeigt verwitternde Architektur (am Anfang einen Nachtclub-Keller, am Ende schäbigen Hotel-Luxus, dazwischen ein Stuhl-Spalier fürs ganze Fürsten-Palais) und öffnet immer wieder Türen zu Illustrations-Polonaisen. Da wechselt ein Tanz-Ensemble zwischen Reizwäsche und Clownsmaske, echte Kinder und ebensolche Hunde (letztere mit intaktem Flucht-Instinkt) werden herbeizitiert und wenn laut Untergangsstimmungsmusik „der Globus sich dreht“, tragen im Hintergrund mehrere Personen selbigen zur Ansicht herein. Fürwahr, eine runde Sache.
Dirigent Philipp Pointner, der Prokofjews „Romeo und Julia“ so schön leuchten lässt, möchte Kálmán sinfonisch adeln. Das führt zu blutleeren Behauptungen – man kann auch sagen: Es ist fad! – und wird beim Einmarsch der Ohrwürmer schmissig korrigiert. Dass es im Finale vom drangepappten Soldaten-Elend zum erlösenden Mitklatschen nur einen Lichtwechsel braucht, sagt alles. Erst da, bei der imaginären Radetzky-Hommage, kommt Stimmung auf. Für mittelgroßen Beifall reicht es dann. Und für Denksport. Was eine „Chose“ ist, bleibt weiter offen – nur, dass sie „ganz ohne Weiber nicht“ geht, steht fest. Operette ist halt ein Mirakel. Dieter Stoll
Nächste Vorstellungen: 8., 11., 18., 26, 28.4. und an 13 weiteren Terminen bis Juli – Karten Tel. 0180-5-231600.