Nicht alles ist im grünen Bereich: Umweltschützer ziehen gemischte Bilanz
Vor fünf Jahren ging vom Freistaat Bayern ein bemerkenswertes Signal für den Natur- und Artenschutz in Deutschland und darüber hinaus aus. Am 17. Juli 2019 verabschiedete der Landtag ein "Volksbegehren Artenschutz plus", das am 1. August desselben Jahres in Kraft trat.
Erzwungen hatte die umfangreiche bayerische Gesetzesoffensive für den Artenschutz das erfolgreiche Volksbegehren "Rettet die Bienen", das 1,7 Millionen Bayern unterstützten. Unter dem Eindruck der großen Zustimmung der Bevölkerung hatte sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an die Spitze der Bewegung gesetzt und mit Hilfe eines Runden Tisches ein Gesetzespaket zum Schutz der Artenvielfalt ausarbeiten lassen.
Fünf Jahre nach dessen Umsetzung überprüfte der Trägerkreis des Volksbegehrens, bestehend aus ÖDP, Landesbund für Vogelschutz (LBV), Grünen und Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS), inwieweit auch tatsächlich etwas passiert ist. Dabei kam man zum Teil zu anderen Einschätzungen als die bayerische Staatsregierung, wie das am Montag in München vorgelegte Monitoring zeigt.
"Rettet die Bienen": Kaniber und Glauber ziehen positive Bilanz
Einige Tage zuvor hatten sich Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) um eine eigene Deutungshoheit bemüht und ein überaus positives Fazit gezogen. Knapp 90 Prozent der Maßnahmen aus Volksbegehren und Begleitgesetz "Volksbegehren Plus" seien inzwischen umgesetzt, verkündeten die Minister.

Der Trägerkreis kam zu einer deutlich abweichenden Bewertung. "Knapp ein Drittel der Maßnahmen", so der grüne Landtagsabgeordnete Ludwig Hartmann, könne man als erfolgreich realisiert bewerten.
Naturschutzverbände und Grüne hatten es sich nicht leicht gemacht und eine Projektgruppe der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen damit beauftragt, den Stand der Umsetzung der Artenschutz-Gesetzgebung möglichst genau zu bilanzieren.
Das Ergebnis: Von insgesamt 32 bewerteten Indikatoren seien neun im grünen Bereich, also in der planmäßigen Umsetzung, berichtete Projektleiter Roman Lenz. Bei fünf weiteren seien die Zielwerte erreicht, eine Einschätzung der Qualität stehe aber aus. Sechs Maßnahmen sehen die Gutachter im roten Bereich, also nicht auf dem Zielkorridor, sondern teilweise sogar im Rückwärtsgang.
Erreichen des Ziels? Immer unwahrscheinlicher
Die Regierenden sehen hingegen nur ein erwähnenswertes Defizit, für das der Staat jedoch nicht verantwortlich sei. So fordert das in Gesetzesform gegossene Volksbegehren, dass bis zum Jahr 2020 mindestens 20 und bis 2030 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Freistaat ökologisch bewirtschaftet werden sollen. Aktuell liege der Anteil der Flächen bei 13,7 Prozent, räumte Landwirtschaftsministerin Kaniber ein. Das Erreichen der gesetzten Zielmarken werde immer unwahrscheinlicher, sagte Lenz.
Bei einem weiteren zentralen Handlungsfeld, nämlich dem Pestizideinsatz, streiten sich Initiatoren und Exekutive um die Bewertung. Gegenüber dem Mittel der Jahre 2014 bis 2018 sei die eingesetzte Menge bis 2022 um etwa 19 Prozent zurückgegangen, meldeten Landwirtschafts- und Umweltminister. Bis 2028 soll der Gebrauch von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel in Bayern um die Hälfte zurückgegangen sein.
Die Aussagekraft von Mengenangaben sei aber begrenzt, wenn man nichts über die Toxizität der Mittel wisse, hält der Trägerkreis entgegen. Zahlentricks vermutet er bei der Erfolgsmeldung der Regierung in Sachen Biotopverbund. Deren Berechnungen ergeben einen Anteil von 11,39 Prozent Biotopverbundfläche im Offenland, also in der nicht überbauten Fläche.
Das gesetzlich festgelegte Flächenziel von zehn Prozent für 2023 sei "somit erreicht", heißt es in der regierungsamtlichen Zwischenbilanz. In diese Berechnung fließen allerdings Flächeneinheiten ein, "deren Qualität fragwürdig ist", sagte Lenz.