Nibelungentreuherzig oder alter Hut?

Die AZ-Redakteure Dieter Stoll und Robert Braunmüller streiten über Gérard Mortiers Bayreuth-Bewerbung
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Meldete in letzter Minute mit Nike Wagner sein Interesse für Bayreuth an: Gérard Mortier
dpa Meldete in letzter Minute mit Nike Wagner sein Interesse für Bayreuth an: Gérard Mortier

Die AZ-Redakteure Dieter Stoll und Robert Braunmüller streiten über Gérard Mortiers Bayreuth-Bewerbung

Pro

Am 1. September tagt der 25köpfige Stiftungsrat, dessen Mitglieder gestern verwundert die eigene Nibelungentreue überprüften. Hatte doch der friedfertige Karl Gerhard Schmidt, einflussreicher Sprecher der mäzenatischen „Freunde“ der Festspiele, grade schnell noch alle Gerüchte um einen Konflikt mit der künstlerisch wie auch in ihrer Geschäftstüchtigkeit ziemlich forschen Katharina Wagner dementiert. Wohl schon deshalb, um den greisen Hügel-Herrscher am Samstag beim Auspusten von 89 Kerzen seiner Geburtstagstorte nicht an den Rücktritt vom Rücktritt denken zu lassen. Denn Wolfgang wollte nur einlenken, weil sein Töchter-Tandem als sichere Nummer gegen die Ambitionen der ungeliebten Nichte aus dem Stamme Wieland galt.

Die Ruhe ist dahin, denn der mehrheitlich eher konservative Stiftungsrat wird nun am Montag kaum den Kompromiss jovial abnicken können, ohne sich schwere Vorwürfe einzuhandeln. Mortier, den die kämpferische Nike wie einen Schachtelteufel in den aufkommenden Bayreuther Frieden schnellen ließ, ist ein künstlerisches Schwerstgewicht. Als legendärer Opernchef in Brüssel, erfolgreicher Reformer von Salzburg, Gründungschef der Ruhr-Triennale, Pariser Opern-Prinzipal und künftiger Leiter der New Yorker City-Opera hat er alles zu bieten, was die fränkische Wagnerei vom Allerwelts- ins Welt-Niveau heben könnte.

Die Strategen, die schon Blumen für die Modell-Schwestern Katharina & Eva bestellten, müssen sich viel einfallen lassen, um Mortier abzulehnen. Jede Wette, sie werden’s versuchen.

Dieter Stoll

Dieter Stoll ist Kulturredakteur der Nürnberger Abendzeitung

Contra

Bei den Salzburger Festspielen wiederholte er seine Brüsseler Erfolge. Die gleichen Opern und Regisseure nahm Gérard Mortier dann zur Ruhrtriennale mit. Von dort exportierte er sie nach Paris und es ist davon auszugehen, dass er mit den gleichen, mit ihm graumelierten Herrschaften wohl ab 2009 die New Yorker City Opera aufzumischen gedenkt.

Das nennt man persönliche Handschrift oder Stil, und dagegen ist auch nichts zu sagen. Mit Aufbruch oder Neuanfang hätte es nur wenig zu tun, wenn die auch schon von Eva Wagner-Pasquier angedrohten Mortier-Lieblinge Peter Sellars oder Robert Wilson im Herbst ihrer Karrieren auch noch auf den Grünen Hügel kämen.

Und, bei aller Liebe zu den Gesamtkunstwerklern des 20. Jahrhunderts: Müssen Nono, Messiaen und Scelsi an Pfingsten als aufgewärmtes „Zeitfluss“-Festival in der Bayreuther Stadthalle sein, nur damit endlich das Feuilleton Ruhe gibt?

Robert Braunmüller

Robert Braunmüller ist Kulturredakteur der Münchner Abendzeitung

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