Neujahrskonzert: Doppelte Bannkraft

Die Nürnberger Symphoniker unter Chefdirigent Alexander Shelley und Piano-Star Martin Stadtfeld zeigten starke Momente
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Ungeheure Bannkraft, nicht nur im Foto: Martin Stadtfeld.
az Ungeheure Bannkraft, nicht nur im Foto: Martin Stadtfeld.

Nürnberg - Die Nürnberger Symphoniker unter Chefdirigent Alexander Shelley und Piano-Star Martin Stadtfeld zeigten starke Momente

Das frivole Werbesprüchlein vom Mann, der nicht nur „für einen Abend“ ist, und sodann zuverlässig für „Höhepunkte“ sorgt, hätten die Nürnberger Symphoniker diesmal zweispurig auflegen können: Beim „Neujahrskonzert“ in der Meistersingerhalle tauchte neben Chef-Darling Alexander Shelley aus der gleichen Generation der mindestens ebenso fototaugliche Pianist Martin Stadtfeld auf (siehe Foto links), und mancher Abonnent erinnerte sich schon vorher seufzend an die Erstbegegnung von 2009. Noch bedeutsamer als der gesponserte Star-Einkauf war freilich ein ähnlich kostspieliger Griff nach den Sternen: Zur Bewältigung von Gustav Mahlers Symphonie Nr. 5 wurde die Orchesterstärke kurzerhand verdoppelt. Das Ergebnis, ein Start-Signal fürs Mahler-Jahr zum 100. Todestag, war es wert.

Man konnte den per Marketing-Strategie bestens in der Klassik-Szene platzierten Mann am Klavier in den letzten Jahren erfreulich oft (im Opernhaus, im Fürther Theater) auch solo und damit im Intensivkurs erleben. Stadtfelds Entwicklung vom strebsamen Wunderboy zum populären Flügel-Poeten mit ECHO-Orden und TV-Show-Abstechern hat seither manche Puristen verschreckt, etliche Kritiker auf Distanz gehen lassen. Sie liegen falsch, wie der Nürnberger Auftritt mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 zeigte. Stadtfeld hat das Werk schon auf CD eingespielt, aber viel deutlicher als dort beweist er live seine fabelhafte Fähigkeit, ein Orchester zu inspirieren, ohne dabei in den Vordergrund zu drängen. Er taucht aus dem Kollektiv-Klang auf, sucht und gibt Orientierung, entwickelt in der Diskretion ungeheure Bannkraft. Wo er die Lyrik an den Rand der Stille führt, hat das Konzert die stärksten Momente. Bei der Zugabe ließ sich Stadtfeld auch nicht lumpen, machte die Meistersingerhalle zum Kolossal-Salon und hämmerte Isoldes Liebesleid mit Wagnerscher Edel-Bombastik in die Tasten als ob er ein paar Hände mehr hätte als die Zuhörer.

Alexander Shelley hatte zu Beginn mit dem Publikum geflirtet (Neujahrs-Wünsche plus die Erinnerung, dass man im Sommer im Luitpoldhain gemeinsam singen will) und sich dann respektvoll untergeordnet. Bei Mahler war ihm alle Aufmerksamkeit sicher, denn da brachen die Symphoniker in die Domäne des Philharmonischen Orchesters ein und er selbst betrat ein Gebiet, das in der Regel sehr erfahrenen Dirigenten vorbehalten bleibt. Tatsächlich schien es, am ersten der beiden Aufführungsabende, wohl ein sehr gut gelungener Entwurf mit Perspektive, was da zu hören war. Zu Beginn eher wuchtig, als es schroff sein sollte, beim Tänzeln der Melancholie ganz vorsichtig, im Finale erfrischend direkt. Das Adagietto, seit dem „Tod in Venedig“ ins ewige Gedächtnis der Kinofreunde eingebrannt, ließ Shelley wunderbar fließen. Das starke Orchester, von Eckhard Kierski brillant eröffnendem Trompetensignal an auf sicherer Spur, folgte den großen, manchmal ins Pauschale flüchtenden Gesten annähernd mühelos. Es kann sich neben den Philharmonikern behaupten. Oder zumindest knapp dahinter, wie auch Shelley, der auf Sichtweite an Christof Pricks Nürnberger Mahler-Standard herankam. Zu überprüfen in zwei Wochen: Von Prick und seinen Opernhaus-Musikern gibt es am 21. Januar Mahlers Symphonie – diesmal die Nr. 2 – an gleicher Stelle. Dieter Stoll

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