Neues Polizeigesetz in Bayern: Massive Befugnis-Erweiterung für Beamte

In Bayern soll ab Sommer ein neues Polizeigesetz gelten. Mit weitreichenden präventiven Befugnissen für die Exekutive. Kritiker und Juristen sprechen vom "härtesten Polizeigesetz seit 1945".
von  AZ/ls

München - Was darf die Polizei, um ihrer Aufgabe als Exekutive des Staates gerecht zu werden? Geht es nach der CSU, in Zukunft deutlich mehr als bisher. Und zwar mit Befugnissen und Maßnahmen, die bislang nur Geheimdiensten vorbehalten waren. Nicht nur Datenschützer haben große Bedenken.

Der Gesetzesentwurf  sieht unter anderem vor, dass die Polizei Bürgern vorschreiben darf, wo sie sich aufhalten müssen, oder welche Orte sie nicht verlassen dürfen. Ein Richter muss diese Maßnahme im Vorhinein nicht absegnen. Der Betroffene kann dann erst später fordern, dass ihn ein Gericht anhört. Der sogenannte "Richtervorbehalt" soll also vereinfacht werden.

Ebenfalls soll es der Polizei erlaubt werden, sich im Internet in private Gruppen-Chats oder verschlüsstelte Kommunikation einzuschleusen. Das durften bisher nur Geheimdienste. Auch die Durchsuchung von Clouds soll erlaubt werden; mit Erlaubnis, Daten zu kopieren, zu löschen oder zu verändern. Ebenso das Abfangen und Lesen von Post. Auch die erweiterte DNS-Analyse soll erlaubt werden. Genetische Spuren würden damit in Zunkunft auch als Phantombild verwendet. Herkunft, Größe, Augenfarbe, Geschlecht: All das lässt sich auswerten und soll gesichert werden.

Neue Kategorie der "drohenden Gefahr"

Und zwar auch, wenn es gar keinen konkreten Verdacht auf eine Straftat gibt. Es reicht eine "drohende Gefahr", mit deren Eintreten in "überschaubarer Zukunft" zu rechnen ist. Die "drohende Gefahr" gibt es bereits, das Bundesverfassungsgericht hatte 2016 entscheiden, dass präventive polizeiliche Datenerhebung und -verarbeitung verfassungskonform sind. Gedacht allerdings war das Instrument zur Terrorismusbekämpfung, zur Überwachung von bekannten Gefährdern. Das neue bayerische Polizeigesetz mache nun keinen Unterschied zwischen "normaler" Kriminalität und Terrorismus, sagen Kritiker: Kleinen Fischen drohe nun die ganze Macht des Überwachungsstaates.

Ein Sprecher des Ministeriums sagte dem Portal netzpolitik.org, mit dem Gesetz wolle "das bayerische Innenministerium Terroristen, aber auch sonstigen Kriminellen frühzeitig auf die Spur zu kommen, um Anschläge oder kriminelle Taten wirksam zu verhindern".

Es droht die "unendliche Haft" - Handgranaten für Streifenbeamte

Deswegen soll auch der sogenannte Vorbeugegewahrsam neu geregelt werden. Bislang durften Personen maximal zwei Wochen präventiv weggesperrt werden, nachdem sie von einem Gericht angehört wurden. Mit dem neuen Gesetz soll dieser Zeitraum auf drei Monate ausgeweitet werden. Der Betroffene wird zwar weiterhin vor Gericht gehört, ihm steht aber kein Strafverteidiger zur Seite. Somit muss er dann aus der Zelle heraus seine Unschuld beweisen. Nach Ablauf der drei Monate kann das Gericht allerdings die vorbeugende Haft erneut um den gleichen Zeitraum verlängern - so lange, bis Fakten vorliegen, die beweisen, dass keine "drohende Gefahr" ausgeht. Die unendliche Haft, sozusagen.

Polizisten sollen außerdem "angesichts der Terroranschläge von Paris und Brüssel", bei bestimten Lagen "Explosivmittel" einsetzen dürfen, also zum Beispiel Handgranaten. Damit sollen Anschläge mit Lkw verhindert werden.

Gesetz dürfte im Landtag verabschiedet werden

Dass das Gesetz in dieser Form verabschiedet wird, ist wahrscheinlich. Im Verfassungs- und des Innenausschusses des bayerischen Landtags wurden vergangene Woche sieben Juristen als Sachverständige gehört, die zwar von "verfassungswidrigen und 'verfassungsrechtlich problematischen' Änderungen" sprachen. Die CSU hat allerdings im Ausschuss eine Mehrheit.

Ebenso wie im Landtag. Am 26. April soll das Gesetz dort verabschiedet werden, gegen die Stimmen der Opposition. Vor allem SPD und Grüne haben große Bedenken. Katharina Schulze, die innenpolitische Sprecherin der Grünen, kündigte an, Verfassungbeschwerde einzulegen, sollte das Gesetz ohne Nachbesserungen verabschiedet werden.

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