Neues Buch über bayerische Pionierinnen: Die Allererste

Bayerische Pionierinnen gibt es viele – ganz unterschiedliche beeindruckende Frauen . Doch die meisten sind unbekannt oder geraten in Vergessenheit. Ein Porträtband kämpft dagegen.
von  Ruth Schormann
Sara Nuru engagiert sich für äthiopische Frauen - mit Kaffee.
Sara Nuru engagiert sich für äthiopische Frauen - mit Kaffee. © imago/VISTAPRESS

Der erste Mensch auf dem Mond? Neil Armstrong. Der erste Mensch am Nordpol - Amundsen. Männer.

Doch wer war die erste Frau, die in Deutschland eine Zulassung als Rechtsanwältin bekam? Wer die erste, die sich bei der Lufthansa als Pilotin ausbilden ließ? Gebürtige Bayerinnen, deren Namen wohl nur die allerwenigsten kennen! Dabei sind die Geschichten der mehr als 70 Frauen in "Ich war die Erste - Bayerische Pionierinnen im Porträt" von Adelheid Schmidt-Thomé (220 Seiten; 19,90 €; erschienen im Allitera-Verlag) mindestens genauso spannend.

Und sie machen Mut, für eigene Träume zu kämpfen und gegen verkrustete Strukturen aufzubegehren. Solange es eine Sensation ist, wenn Frauen in Berufe oder Positionen vordringen, die ihnen bisher verwehrt waren, schreibt die Autorin in ihrer Einleitung, solange sind solche ersten Frauen eben keine Nebensächlichkeit. Mögen sie eines Tages endlich zu einer werden. Bis dahin können sich geschichts- und gesellschaftsinteressierte Leserinnen und Leser an diesen abwechslungsreichen Kurzbiografien erfreuen und sich davon inspirieren lassen. Fünf davon stellen wir im Folgenden vor.

Sara Nuru

Sie war die erste Frau mit Migrationshintergrund, die "Germanys next Topmodel" gewann. Und nicht nur das. Die gebürtige Erdingerin Sara Nuru (* 1989) ist die Tochter einer Äthiopierin, die vor Bürgerkrieg und Hungersnot 1986 nach Deutschland floh. 2009 gewann sie als erste die TV-Castingshow von Heidi Klum. Ein berufliches Sprungbrett. Sara Nuru arbeitet als Model – doch das reicht ihr nicht, sie wollte ihre Bekanntheit für eine sinnvolle Aufgabe nutzen. 2016 gründete Sara Nuru mit ihrer Schwester "nuruCoffee" für fairen Handel mit Kaffee von ausgewählten äthiopischen Bauern. Der Verein finanziert Mikrokredite, Schulungen und Kurse für äthiopische Frauen. Sie möchte Frauen und Mädchen bestärken, selbstbestimmt ihren eigenen Weg zu gehen. Seit 2018 ist Sara Nuru zudem Botschafterin des Entwicklungsministeriums für nachhaltige Entwicklung.

Emilie Lehmus

Sie war die erste niedergelassene Ärztin für Frauen und Kinder in Deutschland.

Ärztin Emilie Lehmus.
Ärztin Emilie Lehmus. © privat

Geboren wurde Emilie 1841 als Pfarrerstochter im fränkischen Fürth. Zunächst wurde sie Musiklehrerin – der Vater hatte allen Töchtern eine Ausbildung ermöglicht. Er unterstützte Emilie dann auch in ihrem Wunsch, das Abitur – als Externe an einem Knabengymnasium – nachzuholen, um Medizin zu studieren. Dafür ging die Fränkin in die Schweiz, denn einzig die Züricher Uni ließ seit 1864 Frauen zum Studium zu. Sie promovierte mit "summa cum laude", was vor ihr auch nur eine Handvoll Männer geschafft hatten. 1876 eröffnete Emilie Lehmus in Berlin als erste deutsche niedergelassene Ärztin eine Praxis als "Arzt für Frauen und Kinder" – gegen das Gespött männlicher Kollegen. Bestattet wurde Emilie Lehmus auf ihren Wunsch in einem Armengrab in Fürth. Dort soll nach dem Willen der grünen Stadtratsfraktion ein Gymnasium nach der Ärztin benannt werden.

Käte Strobel

Sie war die erste sozialdemokratische Ministerin im Deutschen Bundestag.

Käte Strobel.
Käte Strobel. © imago/United Archives

Die sozialdemokratische Prägung wurde Käte Strobel 1907 in Nürnberg durch ihre Familie in die Wiege gelegt. Ab 1925 war sie in der SPD aktiv, heiratete Hans Strobel, der im Widerstand wirkte. Er kam ins KZ Dachau, später bis 1946 in Kriegsgefangenschaft. Käte stand mit zwei Kindern alleine da. Nach dem Krieg startete sie, wohl angetrieben durch ihr eigenes hartes Schicksal, politisch durch. 1949 wurde sie in den Bundestag gewählt, 1958 erhielt sie ein Mandat fürs Europaparlament. 1966 wurde sie der erste weibliche sozialdemokratische Bundesminister (so die damalige Bezeichnung) für das Gesundheitsweisen. Die Gründung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung fällt in ihre Amtszeit. 1980 wurde Strobel erste Ehrenbürgerin Nürnbergs.

Kathrine Switzer

Sie lief als erste Frau der Welt mit offizieller Startnummer den kompletten Boston-Marathon.

Lauflegende Kathrine Switzer.
Lauflegende Kathrine Switzer. © imago

Laufen – über alle Grenzen und Hindernisse. Kathrine Switzer, die 1947 in Amberg als Tochter eines US-amerikanischen Offiziers geboren wurde, hat sich das zum Lebensmotto gemacht. Als sie zwei Jahre alt war, ging die Familie zurück in die USA. Dort meldete sie sich 1967 für den Boston-Marathon an – wo Frauen, eh klar, nicht mitlaufen durften, auch wenn davon nichts in den Statuten stand. Während sie lief, versuchte einer der Verantwortlichen, ihr die Startnummer zu entreißen – ihr Freund knockte ihn aus. Kathrine erreichte das Ziel. Das Foto von der Rangelei wurde zu einem wichtigen Symbol der Frauenbewegung. Kathrine Switzer rief eigene Läufe für Frauen ins Leben, gründete Frauenlaufgruppen – und rannte mit 70, im Jahr 2017, nochmals mit in Boston – und war nur 25 Minuten langsamer als 50 Jahre zuvor!

Marie Sophie von La Roche

Sie war die erste deutsche Schriftstellerin, die das Schreiben als Beruf ausüben und davon auch leben konnte.

Autorinnen-Vorbild: Marie Sophie von La Roche.
Autorinnen-Vorbild: Marie Sophie von La Roche. © Wikipedia

Im Jahr 1730 geboren in Kaufbeuren, heiratete Marie Sophie zunächst mit 23 Jahren den Hofrat Georg Michael Frank von La Roche, gebar acht Kinder und wurde Oma vieler Enkel – darunter Romantiker Clemens Brentano. "Da sie ihre Kinder nicht selbst aufzog (das schickte sich in ihren Kreisen nicht) und ihr Mann beruflich viel auf Reisen war, schrieb sie zahllose Briefe und kleine Erzählungen", erklärt die Autorin im Porträtband. 1771 erschien ihr Roman "Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim" – ihr Durchbruch. Er wird als erster erfolgreicher von einer Frau geschriebener deutscher Roman bewertet. Und war als Briefroman, drei Jahre vor Goethes berühmtem "Werther", eine Neuheit. Goethe übrigens soll über Marie Sophie von La Roche gesagt haben: "Sie war die wunderbarste Frau, und ich wüsste ihr keine andre zu vergleichen." Sie schrieb weitere Romane und, berichtet Schmidt-Thomé, gründete das erste Journal von Frauen für Frauen im Jahr 1783: "Pomona für Teuschlands Töchter".

"Ich war die Erste - Bayerische Pionierinnen im Porträt" von Adelheid Schmidt-Thomé (220 Seiten; 19,90 €; erschienen im Allitera-Verlag)
"Ich war die Erste - Bayerische Pionierinnen im Porträt" von Adelheid Schmidt-Thomé (220 Seiten; 19,90 €; erschienen im Allitera-Verlag) © Verlag
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.