Neuer Streit über automatische Kennzeichenerfassung

Ohne dass die Pkw-Insassen etwas mitbekommen, scannen Polizisten an manchen bayerischen Straßen die Nummernschilder sämtlicher Autos. Karlsruhe hat sich das lange angeschaut - und schreitet jetzt ein. Die Staatsregierung sieht aber nur begrenzten Nachbesserungsbedarf.
von  dpa
Neuer Streit über automatische Kennzeichenerfassung. Foto: Daniel Karmann
Neuer Streit über automatische Kennzeichenerfassung. Foto: Daniel Karmann © dpa

München (dpa/lby) - Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es in Bayern neuen Streit über den automatischen Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit Fahndungsdaten der Polizei. Die Karlsruher Richter erklärten die bayerischen Regelungen am Dienstag zum Teil für verfassungswidrig - und zwingen die Staatsregierung dazu, das Gesetz bis Ende des Jahres entsprechend nachzubessern. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte allerdings, grundsätzlich sei die Kennzeichenerkennung mit der Verfassung vereinbar, und sprach von einem wichtigen Instrument der Polizei im Kampf für mehr Sicherheit.

"Unsere automatisierte Kennzeichenerkennung an polizeilichen Kontrollstellen und im Rahmen der Schleierfahndung ist mit der Verfassung grundsätzlich vereinbar", betonte Herrmann. Das Urteil aus Karlsruhe betreffe "nicht den Kern der eingeräumten Befugnisse, sondern nur einzelne Aspekte ihrer rechtsstaatlichen Ausgestaltung". Man werde das bayerische Gesetz den Vorgaben aus Karlsruhe anpassen.

Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze warf der Staatsregierung dagegen einen "übertriebenen Überwachungsdrang" vor. "Wenn einmal mehr das höchste Gericht eingreifen muss, um die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen, dann hat der Gesetzgeber einen Fehler gemacht", betonte sie. "Dieser übertriebene Überwachungsdrang schränkt bürgerliche Freiheitsrechte ein und ist mit unserem Verständnis einer offenen Gesellschaft nicht vereinbar." Der SPD-Politiker Christian Flisek kritisierte, Bayerns Polizeirecht befinde sich "auf Konfrontationskurs mit dem Grundgesetz".

Herrmann dagegen argumentierte, Fahndungserfolge zeigten, wie wichtig und unverzichtbar die automatisierte Kennzeichenerfassung für mehr Sicherheit sei. Die bayerische Polizei habe damit den Transport gestohlener Fahrzeuge ins Ausland verhindern und erhebliche Mengen Rauschgift sicherstellen können. Es seien Schleusungen aufgedeckt und Diebesbanden dingfest gemacht worden. Und man habe Menschen retten können, die in Selbstmordabsicht unterwegs gewesen seien - und eine junge Frau nach einer Entführung und Vergewaltigung befreien können.

Die bayerische Polizei betreibt demnach 22 stationäre Anlagen an 15 Standorten, die 39 Fahrspuren überwachen. Hinzu kommen sechs mobile Anlagen. Durchschnittlich passieren rund 8,5 Millionen Fahrzeuge pro Monat diese Anlagen. Pro Jahr führt dies zu rund 10 000 Treffern.

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte nach einer Kabinettssitzung, man werde sehen, wie man das Gesetz verändern müsse, um den Vorgaben aus Karlsruhe gerecht zu werden. Dafür habe man genug Zeit. Er betonte aber ebenfalls, das Gericht erkenne den Sinn der Kennzeichenerfassung an - es werde allerdings die Schwelle, wann man die Maßnahme anwenden darf, etwas nach oben verlagert.

Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Nachtigall, betonte, die automatisierte Kennzeichenkontrolle habe sich bewährt und müsse der Polizei weiterhin zur Verfügung stehen.

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