Neuer Prozess um Eishalleneinsturz lässt auf sich warten
TRAUNSTEIN - Die Hinterbliebenen werden den 2. Januar 2006 nie vergessen. Damals stürzte das Dach der Eishalle von Bad Reichenhall ein. 15 überwiegend junge Menschen starben unter den Trümmern. Fast fünf Jahre später sind die Gerichtsakten noch immer nicht geschlossen.
Eine kleine Gedenkstätte erinnert an die Toten – für jedes der 15 zumeist jungen Opfer eine bunte Glasstele. Die Reste der Eishalle von Bad Reichenhall sind längst verschwunden, nicht aber der Schmerz der Eltern, die ihre Kinder verloren, und die Trauer der Frauen und Männer, denen die Liebsten genommen wurden.
Und auch fast fünf Jahre nach dem Einsturz des Eisstadions ist ein Ende der juristischen Auseinandersetzung um die Schuldfrage nicht in Sicht. Für die Neuauflage des Prozesses zeichnet sich noch nicht einmal ein Termin ab, wie der Sprecher des Traunsteiner Landgerichts, Tobias Dallmayer, einräumen muss.
Am 2. Januar 2006 waren nach tagelangem Schneefall beim Einsturz des Gebäudes 15 Menschen ums Leben gekommen, darunter 12 Kinder. Im November 2008 verurteilten die Richter den Hallenkonstrukteur wegen fahrlässiger Tötung zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung. Einen Gutachter und einen Architekten sprachen sie frei. Während der Bundesgerichtshof (BGH) den Freispruch für den Gutachter Anfang dieses Jahres kassierte und den Fall zur Neuverhandlung ans Traunsteiner Landgericht zurückverwies, bestätigte er die Verurteilung des Hallendachplaners.
Ursprünglich hätte der neue Prozess bereits in diesem Herbst beginnen sollen. Weil aber die Richterbank gegenüber dem ersten Verfahren völlig neu besetzt sein muss und der Vorsitz der nun zuständigen 6. Strafkammer erst Ende des Jahres wechselt, dürfte es nicht vor dem Frühjahr 2011 zur Neuauflage kommen. Schließlich muss sich die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzte Große Strafkammer in Dutzende Ordner mit Gerichtsakten einlesen.
Zudem hat die 6. Strafkammer erst noch einen umfangreichen Prozess abzuwickeln, bei dem es um fingierte Autounfälle im Raum Mühldorf am Inn und Altötting geht. Eine „Autobumser“-Bande soll Versicherungen um 400 000 Euro geprellt haben. „Prozesse, bei denen Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen, haben bei den Gerichten Vorrang“, erläutert Dallmayer die Reihenfolge. Im Reichenhall-Verfahren ist dies nicht der Fall.
Im neuen Prozess wird die Rolle der Stadtverwaltung beim Unterhalt des mehr als 30 Jahre alten maroden Gebäudes noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Denn die BGH-Richter hatten moniert, dass der von der Kommune mit einem Billiggutachten beauftragte Ingenieur das Hallendach nicht sorgfältig genug untersuchte. Er schaute sich lediglich einen von zehn riesigen Holzbalken genauer an, die anderen betrachtete er von unten mit einem Teleobjektiv. Sein Fazit: Die Halle ist in einem guten Zustand. Drei Jahre später stürzte sie ein.
In ihrer Revisionsbegründung werden die Karlsruher Richter deutlich: „Wenn aber der Angeklagte seinen Auftrag pflichtgemäß erfüllt hätte, dann wäre das ein deutliches Alarmsignal für die Stadt gewesen, etwas zu unternehmen“, urteilte der Vorsitzende Richter des zuständigen Strafsenats. Für dieses Vergehen muss sich der Ingenieur nun erneut in Traunstein verantworten.
Doch damit nicht genug: Es dürfte im Gerichtssaal auch sehr deutlich zur Sprache kommen, ob die Verantwortlichen im Rathaus mit dem damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier an der Spitze auch wirklich alles unternahmen, um die Katastrophe zu verhindern. Immerhin war bekannt, dass es regelmäßig vom Dach tropfte. Anders als im fast ein Jahr dauernden ersten Prozess wird bei der Neuauflage allerdings mit einem weitaus kürzeren Verfahren gerechnet. Ein Urteil könnte schon nach wenigen Wochen fallen.
Die meisten Hinterbliebenen wollen das neue Verfahren. „Wir sind erleichtert, dass der Freispruch nicht bestätigt wurde“, sagte Robert Schmidbauer schon unmittelbar nach der Karlsruher Entscheidung. Er und seine Frau Dagmar verloren bei dem Unglück ihre beiden Töchter Christina und Marina. „Bei einem gründlichen Gutachten wäre die Katastrophe vermeidbar gewesen“, glaubt Schmidbauer. Nicht nur er hofft, dass doch noch Verantwortliche der Stadt zur Rechenschaft gezogen werden. „Wir werden bis zum Schluss kämpfen“, sagt Schmidbauer, „das haben wir unseren toten Kindern versprochen.“
dpa
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