Neuer Betrugsverdacht in der V-Mann-Affäre

Nürnberg/München - Den Kilometerstand auf Tachos zurückzudrehen, ist eine gängige Praxis der Gebrauchtenwagen-Mafia – und wohl auch des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). Gegen Beamte der Behörde laufen entsprechende Ermittlungen, wie eine Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft der AZ bestätigte.
Auf die Trickserei sind die Ermittler in Zusammenhang mit der sogenannten "V-Mann-Affäre" gestoßen, welche die Behörde ohnehin in ein denkbar schlechtes Licht taucht. Die Liste der Vorwürfe, die sich gegen sechs LKA-Beamten richten und in einem Prozess gegen einen V-Mann ans Licht der Öffentlichkeit kamen, ist ellenlang.
Unter anderem sollen die "Superschnüffler“ in den Diebstahl von Baggern verwickelt sein, Akten manipuliert, Aussagen abgesprochen haben und Hinweisen auf Straftaten nicht nachgegangen sein. Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall, der den V-Mann vertritt, ist sich in der Einschätzung des Falls sicher: "Das hatte System."
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Besonders stark in den Fokus der Ermittlungen ist der für die Führung des V-Manns zuständige LKA-Beamte geraten, der erst vor wenigen Wochen wegen des systematischen Ausforschens der rund 1000 Bewohner seines Heimatortes (Unterfranken) vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe (1500 Euro) verurteilt worden ist (AZ berichtete).
Die Ermittler aus Nürnberg, die gegen ihn und fünf seiner Kollegen unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt ermitteln, gehen davon aus, dass der V-Mann-Führer auch maßgeblich in die Tachomanipulation involviert ist. Er bestreitet das.
In der E-Klasse unterwegs
Bekannt ist, dass der mehrfach vorbestrafte V-Mann im Auftrag des LKA die Regensburger Rocker-Bande "Bandidos" ausspähen sollte. Das LKA, so das bisherige Ergebnis der Ermittlungen, sorgte für ein standesgemäßes Auftreten ihres V-Manns und stellte ihm einen Mercedes der E-Klasse zur Verfügung.
Angemietet wurde die Nobelkarosse bei einem großen Münchner Autovermieter. Probleme tauchten dann aber bei der Rückgabe des Fahrzeugs auf, weil die im Vertrag vereinbarte Kilometerleistung weit überschritten worden war. In Verhandlungen mit der Chef-Etage erreichte das LKA immerhin einen deutlichen Rabatt. Statt der an sich fälligen 18.000 Euro Nachzahlung kam die Behörde mit dem halben Betrag davon.
"LKA war aktiv an strafbaren Handlungen beteiligt"
Das nächste Fahrzeug für die „Dienstausübung“ des V-Manns, wieder ein E-Klasse-Mercedes, wurde diesmal vom LKA direkt über eine große Niederlassung des Autoherstellers geleast.
Am Problem einer am Ende viel höheren Fahrleistung als im Vertrag (40.000 km) vereinbart, änderte sich nichts – allerdings bei der weiteren Vorgehensweise der involvierten LKA-Beamten, die sich um eine weitere hohe Nachzahlung drücken wollten.
"Wir gehen nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen davon aus, dass der Kilometerstand deutlich nach unten manipuliert worden ist", erklärte die Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft.
Aus sichergestellten Unterlagen bei Durchsuchungen von Privat- und Diensträumen beschuldigter LKA-Beamter geht nach Informationen der AZ hervor, dass das betrügerische Zurückdrehen des Tachos von einem zwielichtigen Autohändler nicht nur mit Billigung von LKA-Beamten erfolgt, sondern auch aus dem Etat der Behörde bezahlt worden sein soll.
"Das entspricht genau dem, was in der ganzen Affäre bisher schon zu Tage kam. Das LKA hat nicht nur die Augen zugedrückt, sondern war aktiv an strafbaren Handlungen beteiligt", sagt Rechtsanwalt Schmidtgall.