Neue Mega-Seilbahn läuft ab 21. Dezember: Der zugebaute Zugspitz

Der Zugspitz, wie Deutschlands höchster Berg nach alten Urkunden eigentlich heißt, bekommt ein Weihnachtsgeschenk, das sich Garmisch-Partenkirchen als alleiniger Aktionär der Betreibergesellschaft mindestens 50 Millionen Euro kosten lässt. Am 21. Dezember soll die neue Seilbahn feierlich in Betrieb gehen. Dann schweben die beiden Großgondeln auf der Trassenlinie der stillgelegten Seilbahn vom Eibsee aus zur Gipfelregion in 2943,75 Meter Höhe. Jede Stunde befördern sie bis zu 580 Menschen zur Aussichtsterrasse, die nochmal vergrößert wurde und jetzt wie eine Kanzel weit hinauskragt in die Bergwelt.
Die neue Zugspitz-Seilbahn bricht Rekorde
Neue Weltrekorde sind auch zu vermelden. Die "Seilbahn Zugspitze", so der neue Name, überwindet eine Höhe von genau 1945,25 Metern und eine Weite von 3219 Metern, sie ist somit die längste aller Seilbahnen. Die Zug- und Tragseile sind über nur einen einzigen Mast gespannt, der 127 Meter vor der Steilwand aufragt. Voll verglast wurden Bahnsteige und Treppenhaus. Das abgestürzte Gipfelkreuz hat man gerade wiederhergestellt und mit Blattgold belegt.

Das ist Rekord: Die weltweit höchste Stahlstütze für Seilbahnen. Foto: Bayerische Zugspitzbahnen
Rekorde sind nichts Neues, sie haben den Massentourismus, insbesondere die Massenskigaudi, auf dem höchsten deutschen Berg seit vielen Jahrzehnten befördert. Zwar rattert eine Zahnradbahn schon seit 1930 vier Kilometer bergauf und die ersten Skilifte schnurren seit 1956. Doch richtig losgegangen war die technische Erschließung im Jahr 1960.
Es war ein Wettlauf mit den Tiroler Nachbarn. Denn die hatten im Sommer ihre alte Seilbahn von 1926 ab Ehrwald völlig umgebaut, so dass sie noch mehr Menschenmassen in noch kürzerer Zeit ins bayerische Skiparadies schleusen konnte. Das ließ die Aktionäre der Bayerischen Zugspitzbahn AG nicht ruhen.
An den Fels gekettete Mineure arbeiteten bis in den kalten November 1960 hinein am größten und höchsten Bergbahnprojekt, das bis dahin im deutschen Alpenraum ausgeführt wurde. Eine Luftschwebebahn sollte vom idyllischen Eibsee her bis zum höchsten Punkt Deutschlands pendeln und die rund 2000 Höhenmeter in nur neun Minuten überwinden, schwebend über nur zwei 45 Meter hohe Stützen, die tief im Fels verankert werden mussten.
1934: Zugspitze mit Münchener Haus (Mitte) und Tiroler Seilbahn. Foto: imago
Bedenken tauchten auf, ob das rapide Druckgefälle dieser Bahn für den menschlichen Organismus zuträglich sei. Werbeleiter Meggl versicherte: "Der kritische Moment tritt nach ärztlicher Ansicht erst über 3000 Meter ein." Bald begann der Garmischer Sportarzt Dr. Georg Neureuther, Großvater von Ski-Star Felix Neureuther, mit höhenphysiologischen Versuchen: "Nach der Raumfahrtmedizin bekommen wir jetzt die Seilbahnmedizin."
Auch die Gipfelstation bohrte man damals wie einen Stiftzahn mit Betonwurzelns in den Fels. Ringsum entstanden Sonnendecks und Hallen, Rolltreppen und Ladenstraße. So wurde der ganzjährig geöffnete Zugspitzgipfel zu einem der höchsten und beliebtesten Touristenziele Europas. Dreißig Meter tiefer, entstand auch gleich ein neues Zugspitzhotel mit 400 Betten. Von hier aus schwebte eine weitere Seilbahn zu einer abgebrannten Herberge. Die modernisierte Tiroler Kabinenbahn führte direkt hin.
Beim Bau der Zahnradbahn sind 30 Menschen gestorben
"Die Zugspitze wird jetzt bald verbaut sein." Mit einem gewissen Stolz sagte uns das der oberste Bauherr, Diplomingenieur Bernhard Schmidt, Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn AG, die hierfür 7,2 Millionen Mark aufgewendet hatte (mit vier Millionen hatte man gerechnet). Schmidt hob hervor, dass bei den Bauarbeiten nur zwei Unfälle passiert sind – beim Bau der Zahnradbahn waren 30 Menschen ums Leben gekommen.
Im Dezember 1962 wurde feierlich eröffnet, nachdem allerdings die Premieren-Gondel mit Bundesverkehrsminister Seebohm, Bayerns Wirtschaftsminister Schedl, Weihbischof Neuhäusler und anderen Ehrengästen hängengeblieben war. Ein Kameramann hatte ein Relais beschädigt, das Sicherheitsalarm auslöste.
Außer den Bahnen und Gebäuden wurden nach und nach in die enge Gipfelplattform hineingestopft: ein Fernsehspiegel und eine UKW-Anlage der Bundespost, eine meteorologische Station, eine Anlage des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik, die hauptsächlich kosmische Strahlung misst, eine Physikalisch-Bioklimatische Forschungsstelle der Fraunhofer-Gesellschaft, die als einziges Gebirgs-Observatorium Westeuropas die physikalischen Zustandsgrößen der Troposphäre beobachtet und auch nach Atomstaub fahndet.
Neben diesem Forschung-Kombinat wirkt das schindelgedeckte "Münchner Haus", das der Alpenverein 1897 gegen den Widerstand der Naturschützer errichtet hatte, wie eine uralte Bretterhütte. Schon länger war sie einer Wetterwarte und einer Beobachtungsstelle für kosmische Strahlung benachbart.
Am 15. Mai 1965 um 13.05 Uhr schlug, aus sonnig heiterem Himmel, weiter unten der Weiße Tod zu. Krachend löste sich 250 Meter über dem Schneefernerhaus ein riesiges Schneebrett. Die Walze glitt über das flache Dach des verwinkelten Hotels, verstopfte den Eingang zur Gipfelseilbahn, riss den Lawinenschutz und die Holzbarrieren in Fetzen, wälzte sich über die Terrasse vor dem Wintergarten. Dort lagen etwa zehn Menschen in zwei Reihen auf den Liegestühlen. Die Todeswalze überschüttete auch noch Teile der unteren Terrasse, wo sich weitere Besucher bräunten.

Das in den Fels gebaute Schneefernerhaus mit Lawinensicherungen. Foto: imago
Der aus München geeilte Reporter, der dies alles nun rekapituliert, erlebte die größte Bergrettungsaktion aller Zeiten und beschrieb sie nachts noch per Telefon: Systematisch wurden 2,50 Meter breite Gräben durch die Schneewüste gezogen. Von dort stieß man die Lawinensonden drei Meter tiefer. Der Schnee lag bis zwölf Meter hoch. "Er ist hart wie Zement," fluchten die Helfer. Schließlich wurden zehn Tote und 23 Verletzte geborgen. Noch während der Bergungsarbeiten dachten die Manager an die Aufrechterhaltung des Fremdenverkehrs. Bahndirektor Schmidt beeilte sich, den um Mitternacht versammelten Journalisten mitzuteilen, dass die Gipfelseilbahn binnen zehn Tagen wieder in Betrieb gesetzt werden könne; bei der kleineren Hangbahn vom Schneefernerhaus zum Platt, deren Gondeln vom Pressschnee richtig zerquetscht wurden, werde es wohl bis zum Sommer dauern.
Am 27. Juni 1966 begann in Partenkirchen der Prozess gegen Schmidt, angeklagt der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. Er endete mit einem Freispruch.
1966 organisierte der bayerische Staat einen Lawinenwarndienst. Auf der Zugspitze wurden über kritische "Abrisspunkten" Sprengladungen angebracht, die bei Gefahr gezündet werden und künstliche Lawinen auslösen.
Im Sommer 1981 wurde auf der Zugspitze wieder mal viel hinzugebaut
Die Reparatur einer lawinenbeschädigten Talstation war noch Geringste. Nagelneu entstand Deutschlands höchstes, von einem Privatmann gestiftetes Gotteshaus, das Kardinal Ratzinger auf den Namen "Mariae Heimsuchung" weihte. Ein Ort der Besinnung am Rand höchster Skigaudi. Diese wurde im Winter darauf wieder mit Luftballons, Flugzeugüberfliegungen, Fuchsjagden, Schneeartistik und Rock on the Rocks wieder lautstark gestartet. Rundum kurvten inzwischen elf Lifte und Bahnen.
Und schon war die nächste Baustelle aufgemacht. Mitten im Skizirkus erstand ein Restaurant mit 170 Plätzen, weil ja die bisherigen Speiseräume oben im Schneeferner-Hotel und die Würstchenbude unten im Kessel dem Staubetrieb längst nicht mehr genügten.
Außerdem versenkte man einen kleinen Bohrturm im Eis, für eine aufwändige biologische Kläranlage, die bei der Massen-Heimsuchung im großen Bergzirkus längst dringlich geworden war.
Im Januar 1988 eröffnete Wirtschaftsminister Anton Jaumann einen 975 Meter langen Seitentunnel der Zugspitzbahn. Seither muss das Skivolk, um zur höchsten deutschen Sportareana (2050 - 2874 m) mit ihrem fast ganzjährig befahrbarem Schnee zu gelangen, nicht mehr das Nadelöhr des Schneefernerhauses passieren und sich in eine kleine Zubringerbahn quetschen. Diese wurde denn auch 1992 durch ein Supermodell ersetzt.
Seit einiger Zeit schon gibt es nun beiderseits der Staatsgrenze den Plan, die bayerische Zugspitzarena durch eine sechs Millionen Euro teure Seilbahn mit der bei Skifahrern ebenfalls beliebten Ehrwalder Alm drüben in Tirol zu verbinden. Dorthin kommen bisher vom Platt aus nur Tourengeher, mühsam über das Gatterl-Grat stapfend. Der auch am Schneeferner anhaltende Gletscherschwund macht zwar Sorge, doch dagegen sollen riesige schwarze Folien schützen. The Games must go on – die Spiele rund um die Zugspitze müssen weitergehen. Immer weiter, höher, schöner, schneller.
Und das möglichst sicher und bequem.
Der Rückblick in diesem Bericht basiert auf zwei Büchern von Karl Stankiewitz: "Babylon in Bayern" (2004) und "Wie der Zirkus in die Berge kam" (2012).