Neue Jennerbahn eröffnet: Jubel statt Jammer
Schönau am Königssee - Der meistbesuchte und meistbebaute Berg des Berchtesgadener Landes - der höchste und berühmteste bleibt weiterhin der Watzmann - bekommt noch einmal Zuwachs. Mit einem zweitägigen Jubelvolksfest ist zu Pfingsten die neue Jennerbahn eröffnet worden.
Nach mehrmaliger Verzögerung können fortan 60 rundum verglaste Zehn-Personen-Gondeln bis zu 1.600 Menschen stündlich vom Königssee zur 1.802 Meter hoch gelegenen Bergstation befördern. Von dort aus erreicht man im Sommer klassische Bergwanderziele wie den Hohen Göll oder das Hagengebirge und im Winter ein fast ideales Skigelände, das größte im Landkreis, mit einer elf Kilometer langen Abfahrt.
1953 will man die erste Bergbahn am Jenner errichten
Doch auch weniger beweglichen Touristen bietet der freistehende Kegel des 1.874 Meter hohen Gipfels allerschönste Ausblicke.
Der Aufstieg des Jenner in die Erste Liga des alpinen Tourismus hatte bald nach dem Krieg begonnen. Damals, als die Grenzen zu Österreich wieder dicht waren, entwickelte sich das Schneibsteinhaus, eine halbe Gehstunde vom Jennergipfel entfernt, zu einem internationalen Umschlagplatz für Menschen und allerlei Waren.
1953 begann man mit dem Bau einer Bergbahn. In einer Kleingondel erreichte man ein Plafond unter den Jennerwiesen, wo man dann, um in Gipfelnähe zu kommen, umständlich in eine Seilbahn umsteigen musste. Dies war das eine Hauptproblem. Ein zweites betraf den Naturschutz.
Als der Bayerische Landtag im Juli 1972 die Staatsregierung aufforderte, "einen Alpennationalpark zu planen", da kam dafür nur das stille Bergland am fjordartigen Königssee in Betracht. Das Jennermassiv blieb ausgespart, weil sich dort schon das Skikarussell drehte und die Bahn auch im Sommer zu einer unverzichtbaren Urlauber-Attraktion geworden war.
Trotzdem hofften und versuchten Investoren, Gemeinderäte und Touristiker immer wieder massiv, die bei Tourengehern beliebte Südflanke des Berges mit Zubringerliften auch noch technisch bestücken zu können. Der erste Nationalpark der Ostalpen war ohnedies voller Kompromisse.
1993: Der Jenner als Trumpf für Olympia
Als sich der Raum Berchtesgaden für die Olympischen Winterspiele 1993 bewarb, wurde der Jenner als Trumpf ausgespielt. Seine steilen, steinigen Engpässe, die ich als SZ-Reporter mal unter der Überschrift "Jammer am Jenner" beschrieb, waren inzwischen entschärft und verbreitert. Für die vorgesehenen Skiwettbewerbe aber sollte weiteres Gelände planiert werden und 23 schöne Lärchen sollten weichen. Derlei Pläne führten zum ersten großen Anti-Olympia-Protest in Deutschland sowie zu politischen, gerichtlichen und sehr persönlichen Auseinandersetzungen.
Dem Aktivisten Hans Rühl wurde gar das Auto abgefackelt. Nicht nur deshalb war das IOC Berchtesgaden schon im ersten Wahlgang aus dem Rennen. Dringender wäre damals schon eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur gewesen. Ein veraltetes Bahnsystem, eine umständliche Mittelstation, ein riesiger Parkplatz und ein hässliches Straßenstück direkt vor dem vielbesungenen Königssee – das war gewiss kein Königsweg mehr. Doch daran waren die Investoren und privaten Aktionäre all die Jahre eines gut laufenden Geschäfts weniger interessiert als an der Rendite, so heißt es heute im Umkreis von Bürgermeister Hannes Rapp.
2018 bremsen Birkhühner die Saison aus
Erst nachdem die Anliegergemeinde Schönau finanziell eingestiegen war, konnte es, mit Hilfe österreichischer Bergbahntechniker, endlich vorwärtsgehen. Nicht lange allerdings. Im Sommer 2018 wurden die Bauarbeiten eingestellt, weil der Bund Naturschutz plötzlich den Restbestand von Birkhühnern im Gipfelbereich gefährdet sah. Mit der freien Fahrt in eine lukrative Wintersaison wurde es nichts.
Und im März 2019 begann schon wieder - unerwartet? - die Balz der Hähne. Abermals Stopp. Nicht einmal das zu Hilfe gerufene Umweltministerium konnte die Arbeiten an der neuen Bahn, die jetzt offiziell als "Prestigeprojekt" gilt, zu Ende bringen. Wieder viel Jammer am Jenner. So blieb Pfingsten als neuer Start-Termin.
Gut über 50 Millionen Euro wurden bisher verbaut, mit weiteren zehn Millionen ist zu rechnen. Dafür ist die komplettierte Jennerbahn aber nicht nur schöner und komfortabler, sie leistet auch das Dreifache an Beförderungskapazität. Sie erreicht die 5,6 Kilometer entfernte Bergstation, an einem einzigen, über 19 Stützen laufenden Seil hängend, schon in 17 statt in bisher 26 Minuten.
Zwei Sessellifte an den Jennerwiesen und am Mitterkaser wurden auch gleich erneuert. Die Mittelstation bekam das Gasthaus "Halbzeit" mit 50 Plätzen. Zwischen Parkplatz und See wurde eine Fußgängerzone mit Granit gepflastert, hinzu kamen hier ein Radl-Taxi und ein Segway-Parcours.
Für den Bericht wurden Textteile verwendet aus dem Buch "Babylon in Bayern" und "Wie der Zirkus in die Berge kam" von Karl Stankiewitz.