Neue Broschüren zur Vorsorge: Für alle Fälle rundum versorgt

Neue Broschüren zur Vorsorge für Alter, Unfall und Krankheit klären über Vollmacht und Patientenverfügung auf. Die Hintergründe.
von  Leonie Fuchs
Zwei Senioren fit und vergnügt im Park - doch was passiert eigentlich, wenn ein Ehegatte schwer erkrankt? Wer entscheidet dann über die ärztliche Behandlung?
Zwei Senioren fit und vergnügt im Park - doch was passiert eigentlich, wenn ein Ehegatte schwer erkrankt? Wer entscheidet dann über die ärztliche Behandlung? © imago/Kirchner-Media

Wer entscheidet über meine ärztliche Behandlung, wenn ich selbst dazu nicht mehr in der Lage bin? Wer hat dann Zugriff auf mein Konto? Wer wird mich betreuen? Sich mit Fragen wie diesen zu beschäftigen, erscheint auf den ersten Blick vielleicht für den Einen oder Anderen unangenehm. "Denn schließlich hofft jeder, bis ins hohe Alter gesund und fit zu bleiben", sagte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Mittwoch im Münchner Justizpalast.

Eisenreich: "Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit sind keine Selbstverständlichkeit"

Doch eine unvorhergesehene Situation, sei es durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit, könne immer eintreten. "Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit sind keine Selbstverständlichkeit", so Eisenreich. Deshalb gelte es für den Fall der Fälle vorzusorgen – und zwar bestenfalls nicht erst im hohen Alter.

Fragen wie diese werden in den neuen Broschüren "Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter", "Meine Rechte als Betreuer und Betreuter und "Die Vorsorgevollmacht" (je 7,90 Euro) beantwortet, die nun in einer Neuauflage im C.H.Beck-Verlag erschienen sind. Sie wurden in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Justizministerium erstellt – und überarbeitet.

V.l.: Klaus Weber vom Verlag C. H. Beck, Justizminister Eisenreich, Heßler, Gian Domenico Borasio.
V.l.: Klaus Weber vom Verlag C. H. Beck, Justizminister Eisenreich, Heßler, Gian Domenico Borasio. © Foto: Bayerisches Justizministerium

1. Januar 2023: Künftig dürfen sich Ehepartner gegenseitig vertreten

Der Grund für die neue Fassung: Ab dem 1. Januar 2023 tritt eine umfassende Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft (AZ berichtete). Profitieren sollen davon 1,3 Millionen Menschen, die in Deutschland rechtlich betreut werden. Was über Vollmacht, Patientenverfügung und mehr zu wissen ist, behandeln die neuen Broschüren.

Einige Antworten, die darin gegeben werden:

  • Was ändert sich künftig durch die Reform?
    Mit der Überarbeitung des Betreuungsrechts gilt auch ein sogenanntes Notvertretungsrecht, das besagt, dass Ehegatten sich künftig im akuten Krankheitsfall in Gesundheitsfragen gegenseitig vertreten dürfen - allerdings nur befristet für eine Dauer von sechs Monaten. Kann ein Ehepartner aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls also nicht mehr für sich selbst entscheiden, kann der Ehemann oder die Ehefrau ab dem neuen Jahr die weiteren gesundheitlichen Entscheidungen für ihn oder sie übernehmen.

    Bislang war eine Vertretung durch Ehegatte oder Kinder - entgegen der Vorstellung vieler Bürger - rein rechtlich nämlich nicht möglich. Es sei denn, das Ehepaar hatte dies zuvor explizit in einer Vorsorgevollmacht so festgelegt. Die Reform sei kleinteilig, aber doch ein Fortschritt, sagte der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München, Hans-Joachim Heßler, bei der Vorstellung der Broschüren.

  • Was passiert nach den sechs Monaten?
    Sollte der gesundheitliche Zustand eines Ehegatten andauern, stehen viele weitere Fragen an, so Heßler weiter. Zum Beispiel: "Wie werde ich dann ärztlich versorgt? Wer entscheidet bei Operationen über ärztliche Maßnahmen? Wer verwaltet mein Vermögen?" Um Hilfe bei diesen Fragen zu erhalten, kann ein rechtlicher Betreuer eingesetzt werden, der vom Betreuungsgericht angeordnet wird.

    Infrage kommen meist Angehörige, ehrenamtliche oder hauptberufliche Betreuer. Diese müssen sich bei einer Behörde registrieren und bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen.
  • Was ist eine Vorsorgevollmacht?
    Personen, die diese Angelegenheiten lieber eigenmächtig regeln möchten, können eine Vertrauensperson mit der Vertretung ihrer Angelegenheiten bevollmächtigen, erklärt Heßler. Dadurch werde die rechtliche Betreuung automatisch ausgeschlossen.

    Er empfiehlt eine schriftliche Vollmacht, die den Grund und den Gegenstand der Bevollmächtigung ausdrückt. Und auch, mit der bevollmächtigten Vertrauensperson ausführlich über die Wünsche zu sprechen.

  • Reicht eine Generalvollmacht nicht aus?
    Nein. Sie kann zwar laut der Broschüre "Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter", "zur Betreuung in allen Angelegenheiten" ermächtigen. Sie deckt aber einige wichtige Fälle, etwa die Entscheidung über die Unterlassung von lebenserhaltenden Maßnahmen, nicht ab, so der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs.

  • Sollte zusätzlich eine Patientenverfügung abgeschlossen werden?
    Unbedingt sollte sowohl eine Vorsorgevollmacht als auch eine schriftliche Patientenverfügung vertraglich geregelt werden, rät Heßler. In letzterer wird der Wille des Patienten über die Art und Weise ärztlicher Behandlung ausgedrückt, für den Fall, dass man dies selbst nicht mehr entscheiden kann.

    Eine notarielle Beurkundung sei – wie oft irrtümlich angenommen – nicht notwendig damit sie rechtskräftig ist, sagte Palliativmediziner Gian Borasio.

  • Ist eine Patientenverfügung für den Arzt rechtlich bindend?
    Juristisch gesehen schon, so Borasio. Wenn der Wille des Patienten in Bezug auf ärztliche Maßnahmen eindeutig und sicher festgestellt werden kann, heißt es weiter in der Broschüre. Je zeitnaher und konkreter sie formuliert ist, desto besser.
    Doch sei sie in der Praxis oft nur in der Kombination mit einer Vorsorgevollmacht wirksam, sagt Borasio, der Patientenverfügungen alleine für nicht mehr zeitgemäß hält. "Die Vorsorgevollmacht ist die Basis einer Planung." Denn der Bevollmächtigte wisse genau um die Wünsche und Tabus des Patienten. Neben der Vorsorgevollmacht sei beim Thema Vorsorge vor allem breite Information und Beratung das Wichtigste.
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