Neonazi soll Praktikanten fast getötet haben
Prozess gegen mutmaßlichen Neonazi-Schläger beginnt – Ein Kampfsportler soll im April in der Nürnberger U-Bahn einen Praktikanten fast getötet haben.
Nürnberg - Weil er aus Hass und Verärgerung über die linke Szene im April 2010 einen Praktikanten in der Nürnberger U-Bahn halb totgeschlagen haben soll, muss sich ein mutmaßlicher Neonazi vom (morgigen) Donnerstag an vor dem Nürnberger Schwurgericht verantworten.
Die Anklage wirft dem 24 Jahre alten Schüler aus Fürth versuchten Totschlag mit gefährlicher Körperverletzung vor. Das Urteil wird für den 3. März erwartet. Laut Anklage griff er den 17 Jahre alten Praktikanten während einer gemeinsamen U-Bahn-Fahrt am 28. April an. Auslöser soll eine abfällige Bemerkung des Jugendlichen über die Bauchtasche der Freundin des 24-Jährigen gewesen sein. Dabei handelte es sich um eine Tasche der in der rechten Szene beliebten Marke „Thor Steinar“. Was der 17-Jährige der Frau sagte, wird Gegenstand des Gerichtsverfahrens sein.
Jedenfalls lösten seine Worte bei dem Kampfsportler eine Woge der Gewalt aus: Er soll den Praktikanten zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen und im späteren Verlauf der Auseinandersetzung, als der Jugendliche bereits am Boden lag, mindestens einmal mit dem Fuß gegen sein Gesicht getreten haben.
Nach Auffassung der Anklagevertretung nahm der 24-Jährige damit den Tod des jungen Mannes zumindest billigend in Kauf. Der Angeklagte flüchtete nach der Schlägerei, stellte sich jedoch einen Tag später der Polizei. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Der 17-Jährige wurde bei dem Angriff so stark verletzt, dass er einen Atem- und Herzstillstand hatte, mehrfach wiederbelebt werden musste und lange Zeit im Krankenhaus war. Er ist seither gehbehindert, wird aber voraussichtlich als Nebenkläger am Prozess teilnehmen.
Soli-Komitee fordert rege Prozessbeteiligung
Kurz nach Bekanntwerden des Überfalls hatte sich in Nürnberg das „Soli-Komitee gegen Rechts“ gegründet. Dessen Mitglieder riefen dazu auf, dem Prozess zahlreich beizuwohnen. Der Sitzungssaal 600 - Schauplatz des Hauptkriegsverbrecherprozesses nach dem zweiten Weltkrieg – dürfe nicht den Anhängern der rechten Szene überlassen werden, erklärten sie. „Wir fordern, dass gerade im Saal 600 der faschistische Hintergrund des Täters gründlich beleuchtet wird“, heißt es in einer Mitteilung der Vereinigung.
Der Angriff des Angeklagten markiere ohne Zweifel „den Höhepunkt brutaler rechter Gewalt in Nürnberg“. Er stehe beispielhaft für die Umtriebe einer äußerst gewalttätigen Naziszene, die sich in der Region etabliert habe und sich weiter auszubreiten drohe. Um die Geschehnisse an jenem Mittwochmittag aufzuarbeiten, hat das Gericht fünf Verhandlungstage angesetzt, mit mehr als 20 Zeugen und zwei Sachverständigen. Zudem soll ein Überwachungsvideo vom U-Bahnhof Plärrer gezeigt werden.
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