Neonazi-Richter bringt Bayerns Justiz neuen Ärger

Verfassungsschutz und Justiz in Bayern kommen nicht aus den Schlagzeilen. Derzeit erregt die Nachricht Aufsehen, dass ein Neonazi mit Neigung zum Hassgesang Richter werden konnte.
dpa |
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München - Das Gebot der Stunde in Bayern heißt Schadensbegrenzung - mal wieder. In den vergangenen Jahren hat das Ansehen von Verfassungsschutz und Justiz im Freistaat gelitten. Maßgeblich verantwortlich dafür war unter anderem die jahrelang erfolglose Suche nach den rechtsextremen NSU-Serienmördern und der Fall Gustl Mollath, der jahrelang zwangsweise in der Psychiatrie eingesperrt war. Seit vergangener Woche ist bekannt, dass ein junger Amtsrichter in der oberfränkischen Stadt Lichtenfels in seiner Studentenzeit Sänger mehrerer rechtsradikaler Bands war - eines der Projekte hieß "Hassgesang".

Wenn ein Neonazi in Bayern Recht sprechen konnte, ohne dass es Verfassungsschutz und Justizapparat merkten, wäre das ein weiterer Rufschaden. Justizminister Winfried Bausback (CSU) weiß, dass schnelles Handeln nötig ist, um Schlimmeres zu vermeiden. Deswegen kündigt er am Montag an, dass Amtsrichter Maik B. seinen Job verlieren wird, sofern sich die Vorwürfe bestätigen.

"In Bayern und auch und gerade in der bayerischen Justiz ist kein Platz für Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit", sagt Bausback. B. ist derzeit noch in der Probezeit. Bei der Einstellung wurde er - wie jeder angehende Staatsanwalt und Richter gefragt - ob er Mitglied einer verfassungsfeindlichen Organisation ist. Sollte er eine rechtsextreme Vergangenheit verschwiegen haben, könnte das ein Kündigungsgrund sein.

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Dabei besteht offensichtlich wenig Zweifel, dass der einstige Protagonist des Hassgesangs und der Richter tatsächlich ein und die selbe Person sind. Das hat die Bayreuther Polizei bereits überprüft, bevor sie Justiz und Innenministerium vergangene Woche informierte.

Dass B.s rechtsradikale Vergangenheit überhaupt aufgedeckt wurde, ist hauptsächlich einem aufmerksamen Polizisten zu verdanken. Im Februar hatte der Brandenburger Verfassungsschutz sein bayerisches Pendant informiert, dass B. seinen Wohnsitz in den Freistaat verlegt hatte. Die Verfassungsschützer fanden zwar keinen Hinweis, dass B. sich in der rechten Szene bewegte, informierten nach Angaben des Innenministeriums aber den Staatsschutz bei der Polizei.

Ende September erstattete der Richter Anzeige, nachdem sein Spind aufgebrochen worden war - ein Fall von Alltagskriminalität. Einem Bayreuther Polizisten kam B.s Name bekannt vor, er ging der Sache nach. So kam heraus, dass der aus Brandenburg nach Oberfranken gezogene Extremist mittlerweile als Richter tätig war.

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Der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr sieht bereits ähnliches Versagen wie im NSU-Skandal: "derselbe Pfusch". Der bayerische Verfassungsschutz überprüfte B. nach dem Hinweis aus Brandenburg, wie ein Sprecher des Innenministeriums in München sagt. Der Verfassungsschutz prüfte aber offenbar nicht, ob B. im öffentlichen Dienst war. Bisher sind Rechtsextremisten in der Regel nur bei der Bundeswehr aufgefallen, nicht aber im Justizapparat.

In Brandenburg war B. seit Jahren bekannt - er wohnte früher in Teltow bei Berlin und veröffentlichte nach Recherchen der linken "Antifa Berlin" seine erste CD im Jahr 2001. "Adolf Hitler, Sieg Heil tönt zu Dir empor", soll B. vor Jahren gedichtet und gesungen haben. Bei "Hassgesang" handelte es sich wohl im wesentlichen um ein Ein-Mann-Projekt.

Bausback und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) versuchen nun, aus der Defensive zu kommen. Ihr Vorschlag birgt Zündstoff: Er läuft auf eine Wiedereinführung des Radikalenerlasses aus den siebziger Jahren hinaus. Bausback fordert vor der Einstellung von Richtern und Staatsanwälten wieder eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. "Darüber müssen wir diskutieren", sagt er.

Bausback wehrt sich gegen die Vorwürfe der Opposition. Der CSU-Politiker verweist darauf, dass SPD und Grüne noch in der vergangenen Wahlperiode forderten, bei der Einstellung neuer Beamter auf die Frage nach der Verfassungstreue zu verzichten - mit dem Argument der Gesinnungsschnüffelei. "Das hat nichts mit Gesinnungsschnüffelei zu tun", sagt Bausback, "sondern mit wehrhafter Demokratie."

Für Amtsrichter B. dürfte das Bekenntnis zur wehrhaften Demokratie jedenfalls bedeuten, dass seine Amtszeit als Staatsdiener in Kürze endet.

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