Neben diesen Gleisen überleben seltene Tiere und Pflanzen
Ein Pilot-Projekt stellt wertvolle Sandbiotope mitten in Nürnberg wieder her. Die Kosten trägt das Umweltministerium.
NÜRNBERG Eigentlich war die Böschung entlang der Bahnlinie in Nürnberg-Tullnau eine einzige Müllhalde. Doch unter Autoteilen, leeren Batterien und ausrangierten Möbeln befindet sich eines der wertvollsten Biotope Nürnbergs. Lebensraum von zahlreichen, vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzen-Arten. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie lieben die Wärme und sind auf den Sandboden angewiesen. Das bundesweit einmalige Pilotprojekt „Lebensader Bahn“ versetzt den Hang und andere Bahnflächen jetzt in seinen Urzustand zurück.
Petr Mlnarik vom Landschaftspflegeverband (LPV) Nürnberg deutet den Hang hinunter bis zu den Gleisen, auf denen gerade ein Güterzug vorbeidonnert: „Hier ist in der Eiszeit das Ufer der Pegnitz gewesen.“ Und der Sand, den der Fluss vor Jahrtausenden anschwemmte, ist überlebenswichtig für die blauflügelige Ödlandschrecke, die Zauneidechse, die aufrechte Fetthenne oder das Silbergras. Tiere und Pflanzen, die selten geworden sind. 213 Tierarten haben Zoologen letztes Jahr entdeckt, als sie die Brachfläche in Augenschein nahmen.
Doch ihr Lebensraum wird nicht nur vom Zivilisationsmüll bedroht. Gehölze haben sich breit gemacht. Die spätblühende Traubenkirsche und die Robinie – zwei Bäume, die aus Nordamerika stammen – beschatten den Boden und verhindern, dass sich der Sand in der Sonne aufheizt. In den letzten Monaten wurden die Bäume und Büsche herausgeschnitten und der verfilzte Magerrasen gemäht. Insgesamt vier Flächen der Bahn in Nürnberg, zusammen drei Hektar groß, wurden so bearbeitet.
Bahnlinien als Bio-Korridore in ganz Europa
Für das Projekt „Lebensader Bahn“ ist der LPV eine ungewöhnliche Kooperation mit der DB Netz eingegangen. Deshalb ist Matthias Beck, Infrastruktur-Planer von der Bahn, vor Ort. Er kümmert sich auch darum, dass alle Sicherheits-Vorgaben eingehalten werden. Vor allem wegen der Sicherheits-Bedenken sei die Bahn nur schwer zu überreden gewesen, die Landschafts-Pfleger auf ihr Gelände zu lassen, so Mlnarik.
Entscheidend war wohl auch, dass das bayerische Umweltministerium die gesamten Kosten von 20.000 Euro für die Maßnahme übernommen hat. Mlnarik hofft jetzt, dass sich die Bahn für weitere Projekte begeistern lässt. Sein Kalkül: Wenn die Bahn für Bauprojekte Ausgleichs-Flächen schaffen muss, könnte sie etwas für die Biotope entlang der Strecken tun, statt Flächen von Landwirten zu erwerben und zu renaturieren.
Wenn das Nürnberger Beispiel Schule macht, so Mlnariks Vision, könnten die Bahnlinien irgendwann als Bio-Korridore ganz Europa umspannen.
Winfried Vennemann