Nazi-Wahnsinn in Beton

Die neue Ausstellung „Mythos Germania und Tempelstadt Nürnberg“ im Dokuzentrum beschäftigt sich mit den gigantomanischen Bauplänen Albert Speers für Berlin und Nürnberg
Martin Mai |
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Sieht man, wie klein das Brandenburger Tor im Modell (links unten) ist, ahnt man, wie monströs die Nord-Süd-Achse in Berlin geworden wäre. Hinten die „Große Halle“.
Berny Meyer Sieht man, wie klein das Brandenburger Tor im Modell (links unten) ist, ahnt man, wie monströs die Nord-Süd-Achse in Berlin geworden wäre. Hinten die „Große Halle“.

Bizarr, größenwahnsinnig, absurd. Das sind treffende Attribute für die Pläne der „Welthauptstadt Germania“, die das Thema der neuen Sonder-Ausstellung im Nürnberger Dokumentations-Zentrum ist. Und noch etwas ist „Germania“: möglich. Sogar die vollkommen irrwitzige „Große Halle“. Bei Vollendung hätte sie 180000 Menschen fassen sollen, wäre so hoch gewesen, dass in ihr der Berliner Fernsehturm stehen könnte, hätte ein so großes Volumen gehabt, dass die Gefahr bestand, dass sich in dem Baukörper ein eigenes Klima entwickelte – aber wäre „baubar gewesen“, erklärt Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten, der die Ausstellung mitgestaltete. Dafür hätte bei einer tatsächlichen Entstehung dieser „Nord-Süd-Achse“ auf 11 Kilometern hunderte Gebäude abgerissen werden müssen, 200000 Berliner wären umgesiedelt worden. Der Beton und Stahl lag schon bereit – allein der 2. Weltkrieg stoppte die Umsetzung.

Die unheimliche Faszination für diese unmenschliche (und sinnlose, weil unbenutzbare) Einschüchterungs-Architektur (das Brandenburger Tor ist winzig im Vergleich zu den anderen Bauten) ist die eine Seite der neuen Ausstellung „Mythos Germania“ im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Zentral in der Schau steht das rund 11 Meter lange, detaillierte Modell der Nord-Süd-Achse – man kennt es aus „Der Untergang“ oder Speer und Er“.

 

Der verführte Architekt

 

Die andere Seite der Schau beschäftigt sich mit den Konsequenzen, die mit dem Bau von „Germania“ (der Begriff ist übrigens eine Erfindung des Klappentexters der Speer-Biografie aus den 60er Jahren) einhergegangen ist. Das sind neben der Zwangs-Umsiedlung die „Entsiedlungspläne“ für Juden, die Verknappung von Wohnraum – und schließlich die Beschaffung der Materialien und die Bauumsetzung selbst. Denn Bauwerke wie der „Triumphbogen“, in den 49-mal der Pariser Triumphbogen passen sollte, wären nicht ohne Zwangsarbeiter realisierbar gewesen. Und Speers Materialbeschaffung erfolgte über KZs. So wird erneut deutlich, dass Speer, der damit bereits 1937 rechnete, mehr war als der „verführte Architekt“.
Die zweite Hälfte der Ausstellung befasst sich mit dem Reichsparteitagsgelände, dem ersten Versuch Speers, „größer als alles andere“ zu bauen. Hier steht auch ein Modell des „Deutschen Stadions“. Was Nürnberger in dieser gelungenen Schau nachhaltig erschrecken könnte: Auch die Alstadt sollte nach dem Willen der Nazis „entschandelt“ und umgebaut werden.

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