Nazi-Grab auf Frauenchiemsee: Rebellion gegen Grab von Hitlers Generaloberst

Die Asche des Nationalsozialisten Alfred Jodl wurde in der Isar verstreut, doch auf der Ruhestätte seiner Familie am Chiemsee steht sein Name. Anwohner protestieren, die Gemeinde sitzt das Problem aus.
von  Helmut Reister
Der Aktionskünstler Wolfram Kastner (r.) und Rechtsanwalt Jürgen Arnold bringen ein Schild am Familiengrab der Jodls an.
Der Aktionskünstler Wolfram Kastner (r.) und Rechtsanwalt Jürgen Arnold bringen ein Schild am Familiengrab der Jodls an.

Eine schönere Stelle als den Friedhof auf der Fraueninsel mitten im Chiemsee könnte es für die letzte Ruhestätte eines Verstorbenen kaum geben. Doch die Idylle im Herzen Oberbayerns wird durch das Grab der Familie Jodl massiv gestört.

Auf dem mannshohen Grabstein in Kreuzform prangen ganz groß der Name "Alfred Jodl", sein militärischer Rang "Generaloberst" und sein Todestag "16.10.1946" – ein geschichtsträchtiges Datum. In den frühen Morgenstunden wurden damals die in Nürnberg zum Tod verurteilten Nazi-Kriegsverbrecher hingerichtet, auch Alfred Jodl.

Sicher ist (und das macht den Namen auf dem Steinkreuz zu einem Skandal): Hitlers oberster Militärstratege kann hier nicht begraben sein. Nach der Hinrichtung wurde der Leichnam des Nazi-Generals verbrannt, seine Asche in einem Nebenarm der Isar verstreut. Auf dem Stein des Familiengrabes, in dem seine beiden Ehefrauen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, darf er "weiterleben."

Gegrummel über den "Generaloberst" auf dem Friedhof der Fraueninsel gibt es in der Bevölkerung schon seit vielen Jahren. Doch erst als Architekt Georg Wieland vor wenigen Jahren eine Petition beim Bayerischen Landtag einreichte, auf den "nicht sachgerechten Umgang mit der NS-Zeit" aufmerksam machte und zumindest eine erklärende Informations-Tafel neben dem Grab anregte, kam Schwung in die Debatte.

Jodls Nachfahren wollen das Grab unbedingt erhalten

Für eine Befeuerung in der Auseinandersetzung mit dem Namen des Nazi-Generals auf dem Grabstein sorgte vor zwei Jahren der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner. Unter anderem bemalte er den Grabstein mit roter Farbe oder brachte ein "Kriegsverbrecher"-Schild an. Jodls Nachfahren waren entsetzt und reagierten mit einer Anzeige. Gegen die Geldstrafe des Rosenheimer Amtsgerichts hat der Aktionskünstler Rechtsmittel eingelegt, eine weitere Prozessrunde vor der Justiz in München steht noch bevor.

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner (r.) und Rechtsanwalt Jürgen Arnold bringen ein Schild am Familiengrab der Jodls an.
Der Aktionskünstler Wolfram Kastner (r.) und Rechtsanwalt Jürgen Arnold bringen ein Schild am Familiengrab der Jodls an.

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner (r.) und Rechtsanwalt Jürgen Arnold bringen ein Schild am Familiengrab der Jodls an. Foto: Wolfram Kastner

Das Innenministerium, das sich in Zusammenhang mit der Petition mit dem "Fall Jodl" beschäftigt hatte, wies auf die eigenständige Friedhofssatzung der Gemeinde hin und sah keine rechtlichen Möglichkeiten, auf die Gemeinde einzuwirken. Mit dem 25. Januar 2018 hätte sich das Problem eigentlich von selbst erledigt. Es hieß, dass an diesem Tag das Grabnutzungsrecht, das ein Nachfahre Jodls besitze, auslaufe. In einer nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats war im vergangenen Jahr einstimmig beschlossen worden, das Nutzungsrecht für das Grab auslaufen zu lassen und nicht mehr zu verlängern.

Doch diese Entscheidung, die offensichtlich auch das Innenministerium im Blick hatte, scheint schon wieder Schnee von gestern zu sein. "In der nächsten Gemeinderatssitzung", weiß Architekt Wieland, "steht das Thema wieder auf der Tagesordnung." Die Jodl-Nachfahren wollen das Grab unter allen Umständen erhalten und haben einen Antrag zur weiteren Nutzung gestellt.


Wer war Alfred Jodl?

Alfred Josef Ferdinand Jodl, geboren am 19. Mai 1890, war ein deutscher Heeresoffizier und seit 1944 Generaloberst während des Zweiten Weltkriegs. Er war Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht. In seiner Position als oberster Wehrmachtsführer, die er kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 einnimmt, rückt Jodl zu Hitlers engstem Berater in Fragen der Gesamtkriegsführung auf. Er übernimmt die Leitung sämtlicher Operationen gegen die Westalliierten, ist für die Kriegsführung von Norwegen bis Nordafrika verantwortlich.

Gegenüber Hitler zeigt er unbedingte Loyalität. 1945 geht er nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands in britische Kriegsgefangenschaft. Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wird er mit 23 weiteren angeklagt, am 1. Oktober 1946 unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und am 16. Oktober 1946 hingerichtet.

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