Naturschützer sind 9-Euro-Ticket-Fans
Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) bewertet schon jetzt das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland (ÖPNV) nach den Worten seines Vorsitzenden Richard Mergner als "vollen Erfolg".
85 Prozent der Befragten haben Geld gespart
Nach einer Online-Umfrage des BN unter 9.155 Personen im Freistaat gaben 85 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, durch das verbilligte Ticket "Geld gespart" zu haben. 54 Prozent behaupteten, wegen des Tickets das Auto auch mal stehengelassen zu haben. 35 Prozent kamen ihren eigenen Angaben zufolge "entspannter ans Ziel", 31 Prozent verdankten dem Ticket, "mehr herumgekommen" zu sein, wie es hieß.
Für die Teilnahme an der Umfrage hatte der BN über seine Sozialen Netzwerke geworben. Der Naturschutzverband erhebt daher nicht den Anspruch, dass die Ergebnisse repräsentativ sind. Die große Zahl der Teilnehmer spreche allerdings für einige Aussagekraft, hieß es bei der Vorstellung der Befragungsergebnisse gestern in München.
Verkehrsmittel waren häufig "sehr ausgelastet"
Danach nutzten 64 Prozent der Befragten Busse und Bahnen öfter als vorher, 42 Prozent sogar täglich oder mehrfach pro Woche. Zwölf Prozent setzten das 9-Euro-Ticket gar nicht ein. 70 Prozent der ÖPNV-Benutzer gaben an, Erfahrungen mit "sehr ausgelasteten" bis "überfüllten" öffentlichen Verkehrsmitteln gemacht zu haben.
In den kreisfreien Städten verfügen 92 Prozent der Befragten über eine Bus- oder Bahnhaltestelle in maximal einem Kilometer Entfernung, an der wochentags mindestens einmal pro Stunde ein Bus oder Zug fährt. Auf dem Land waren es nur 71 Prozent. Schlusslicht von allen Regierungsbezirken ist Niederbayern mit lediglich 48 Prozent, Spitzenreiter Ober- und Mittelfranken. 63 Prozent der Befragten wünschten sich eine dichtere Taktung, 59 Prozent eine bessere Anbindung und 31 Prozent mehr Barrierefreiheit.
Umweltschützer fordern nun ein 365-Euro-Ticket
Das 9-Euro-Ticket habe leider nur für eine begrenzte Zeit Schluss gemacht mit der "Kleinstaaterei" beim ÖPNV in Bayern, hob Mergner hervor. Mit Ausnahme des Münchner MVV und des Nürnberger VGN seien 40 Verkehrsunternehmen mit eigenen Tarifsystemen unterwegs, kritisierte der BN-Chef.
Aus den Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket leiten die Naturschützer die Forderung nach einem 365-Euro-Jahresticket ab, verbunden mit einem besonders günstigen Angebot für Menschen mit geringem Einkommen. Beides sollte auch monatsweise erworben werden können.
Das 9-Euro-Experiment habe auch gezeigt, wie einfach ÖPNV-Benutzung durch einen einheitlichen Tarif sein könne, bei dem man sich über Waben und Tarifzonen keine Gedanken machen müsse. Wenn der Umstieg vom Auto in den ÖPNV gelingen solle, müsse das ganze System "einfacher, günstiger und sozial gerechter" werden.
Verantwortliche ziehen insgesamt eine positive Bilanz
Die Finanzierung des Tickets solle über Steuern und "frei werdende Mittel durch den Abbau von klimaschädlichen Subventionen" sichergestellt werden, sagte Mergner. Dabei hat der BN-Vorsitzende unter anderem das "Dienstwagenprivileg" im Visier. Durch dessen Abschaffung könne der Staat über drei Milliarden Euro Steuern pro Jahr mehr einnehmen. Als "klimaschädlich" gelten für den BN auch die Pendlerpauschale und die "Dieselsubventionierung".
Obwohl einige von vollen Verkehrsmitteln und Unzuverlässigkeiten des ÖPNV abgeschreckt sein könnten, habe man mit dem 9-Euro-Ticket "gute Erfahrungen" gemacht, sagte Mergner.
Erhöhte Fahrpreise wären ein "Unding"
Es wäre ein "Unding", wenn die Menschen ab dem 1. September mit zusätzlich erhöhten Fahrpreisen konfrontiert würden. Teurere Tickets nach dem dreimonatigen Billigtarif wären "absolut kontraproduktiv", sagte Peter Hirmer von der BN-Kreisgruppe Dingolfing-Landau. In einer Studie aus dem Jahr 2020 wurde dem niederbayerischen Landkreis das schlechteste ÖPNV-Angebot in ganz Deutschland bescheinigt.
Der Mobilitäts-Experte der Grünen im bayerischen Landtag Markus Büchler warf der Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, sich "wenig bis gar nicht" um den öffentlichen Nahverkehr zu kümmern. In ihrem Koalitionsvertrag hätten CSU und Freie Wähler ein 365-Euro-Ticket für alle versprochen. Dieses Versprechen habe die Staatsregierung "ohne mit der Wimper zu zucken gebrochen", so Büchler.