Natürlich wünschenswert

Problemfall Meistersingerhalle: Der Ruf nach einer moderneren Konzerthalle für Nürnberg hat auch den Stadtrat erreicht. Hoffnung sieht er kaum.
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Architektur-Moderne vergangener Jahrzehnte: Der Mehrzweck-Bau mit Konzert-Schwerpunkt im Luitpoldhain steht unter Denkmalschutz.
Berny Meyer Architektur-Moderne vergangener Jahrzehnte: Der Mehrzweck-Bau mit Konzert-Schwerpunkt im Luitpoldhain steht unter Denkmalschutz.

NÜRNBERG - Problemfall Meistersingerhalle: Der Ruf nach einer moderneren Konzerthalle für Nürnberg hat auch den Stadtrat erreicht. Hoffnung sieht er kaum.

Eine erste Attacke auf die denkmalgeschützte Meistersingerhalle, der von vielen Seiten akustische plus atmosphärische Mängel und somit Untauglichkeit für ein neu erblühendes Konzertleben bescheinigt wurden, war ins Leere gelaufen. Die zweite Angriffs-Welle, im Dezember von betroffenen Künstlern wie Julian Christoph Tölle (Hans-Sachs-Chor) und Jörg Krämer (Philharmoniker) in der AZ-Jahresumfrage angefeuert und danach als Problemfallstudie auch von Lucius Hemmer (Symphoniker) und Peter Theiler (Staatstheater) bestätigt, ließ die nur hinhaltend reagierenden Politiker auf Taktik umschalten. Jetzt geht’s ums Ganze.

Nachdem die SPD „vereinzelt, aber doch verstärkt“ den Ruf nach einer Verbesserung der Konzertsaal-Situation hörte, stellte sie am 2. April ihren Antrag auf Bestandsaufnahme. 14 Wochen später wird im Rathaus reagiert – mit dem Hinweis, dass „für einen neuen Konzertsaaal vorab ein Grundstück gefunden und erworben werden“ müsste und wir uns in einer „enorm schlechten Finanzsituation“ befinden. Na sowas!

Ein neuer Konzertsaal für Nürnberg wäre „natürlich wünschenswert“, steht am 10. Juli unter Tagesordnungspunkt 7 – und in wenigen Zeilen wird begründet, warum daraus ganz gewiss nichts wird. Es geht um Bausummen von hundert Millionen und Jahressubventionen, auch um die Folgen für die Institutionen, in denen es derzeit singt und klingt.

„Weitgehend zufrieden"

Die Bestandsaufnahme kreist über jeglichem Sound, führt die überdimensionalen Schreckenskammern Arena und Frankenhalle („Bedarf für größere Veranstaltungen jeder Art abgedeckt“) ebenso auf wie die beiden Säle der Meistersingerhalle (2100 bzw. 520), die Tafelhalle (500) und sogar den Künstlerhaus-Festsaal (200). Der frisch erstandene, nur von Festrednern als „Schatzkästlein“ gerühmte Symphoniker-Saal an der Kongresshalle, momentan ungeliebtes Ausweichquartier fürs Schauspiel, spielt in der Erhebung keine Rolle. Warum wohl? Der Privatmusikverein mit der umgesiedelten Kammermusik-Reihe sei im Tagungs-Rechteck der kleinen MSH „weitgehend zufrieden“, das ensemble KONTRASTE in der Tafelhalle sowieso.

Aber darum geht es letztlich nicht, denn auch der Ruf nach dem 1000-Plätze-Haus, in dem beispielsweise die Chöre anspruchsvolle Programme wagen können, ist ein Nebenaspekt, der als Argumentationskrücke gern mitgenommen wird. In Wirklichkeit gehen die Wunschträume darum, einen modernen Konzertsaal zu bekommen, den man bei Bedarf verkleinern, im Normalfall aber unter besseren Bedingungen bespielen kann. Denn das ist klar – bei stumpfer Akustik, flacher Sicht und nüchterner Atmosphäre kann es die gute alte Mehrzweck-MSH mit keinem der neueren Konzert-Säle in Deutschland aufnehmen.

Das Phantom „Zwischengröße" geht um

So richtig traut sich das aber niemand zu sagen, also gespenstert das Phantom der „Zwischengröße“, die für sich genommen die allerwenigsten Chancen hätte. Weder wird Anne-Sophie Mutter beim Meisterkonzert wegen der guten Stimmung bei gleicher Gage zweifach auftreten (nicht umsonst hat Georg Hörtnagel mitgeteilt, dass Lang Lang sehr zufrieden war mit dem Raum) noch können die Symphoniker ihre Abo-Kalkulation in der Mitte durchteilen und auch die Philharmoniker werden bei jedem Mahler und Bruckner wieder auf 2000 Besucher hoffen.

Wünschenswert ist kein Zusatz-Hallchen irgendwo, kein weiteres Sanierungs-Kompromisschen a la Schauspielhaus sondern eine großzügig ausgedachte Verbesserung der jetzigen Situation. Vielleicht jenseits der denkmalgeschützten Meistersingerhalle. Das ist ein Projekt für den nächsten Wirtschaftsaufschwung, aber auch auf den sollten Politiker vorbereitet sein. Es wäre fatal, wenn der Kulturausschuss des Stadtrats mit all den papiergewordenen Hoffnungen nur den Reißwolf füttert. Dieter Stoll

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