Natascha Kohnen: "Volle Kraft voraus bis zum letzten Tag"
München - Natascha Kohnen im AZ-Interview: Die Münchnerin (53) ist seit 2017 Chefin der Bayern-SPD. Im November 2020 kündigte die Landtagsabgeordnete an, nicht erneut für die Parteispitze kandidieren zu wollen.
AZ: Frau Kohnen, der Parteitag, auf dem eine neue SPD-Landesspitze gewählt werden soll, wurde verschoben – vom 20. März auf den 24. April. Außerdem soll er nun rein digital stattfinden. Was genau ist der Hintergrund?
NATASCHA KOHNEN: Wir hatten Anfang des Jahres noch gehofft, dass wir es unseren Mitgliedern ermöglichen können, sich Ende März wieder persönlich begegnen zu können. Denn dieser Wunsch nach einem "echten" Miteinander ist natürlich groß wie bei sehr vielen von uns in dieser Zeit. Doch es hilft nichts. Angesichts der Pandemielage und möglicher Mutationen des Coronavirus ist ein Präsenzparteitag in geschlossenen Räumen nicht vertretbar. Daher haben wir jetzt am Samstag endgültig entschieden, in einer rein digitalen Form zu wählen, die dann noch schriftlich bestätigt werden muss. Um das nun ordentlich vorzubereiten und alle Delegierten darauf gut vorzubereiten, schieben wir das Ganze um einen Monat. Und ich bin mir sicher, dass wir einen lebendigen und spannenden Parteitag hinkriegen.
Für Sie heißt das: Sie bleiben noch ein bisschen länger als Vorsitzende im Amt. Mit welchen Gefühlen?
Volle Kraft voraus bis zum letzten Tag.
Kohnen: "Nun müssen andere die Verantwortung übernehmen"
In Parteikreisen wurde zuletzt geraunt, Sie würden versuchen, Vertraute in Schlüsselpositionen zu installieren, um weiterhin Einfluss nehmen zu können. Stimmt das?
Völliger Blödsinn. Wenn ich weiter Einfluss gewollt hätte, wäre ich wieder als Landesvorsitzende angetreten. Ich habe nach zwölf Jahren in der Parteiführung (Kohnen war u.a. auch Generalsekretärin, d. Red.) entschieden, dass es genug ist, und nun müssen andere die Verantwortung in der Spitze übernehmen.
Auch von "Erbmonarchie" war die Rede. Unbestritten ist, dass Sie die Wunschkandidatin Ihres Vorgängers Florian Pronold waren.
Wer diesen Begriff verwendet, hat offensichtlich wenig Respekt vor unseren Mitgliedern und Delegierten, die Vorsitzende wählen. Ich habe vor vier Jahren ein Mitgliedervotum über den Vorsitz vorgeschlagen, um möglichst große Geschlossenheit zu erreichen. Damals bin ich gegen Florian von Brunn und vier weitere Männer angetreten und habe gleich im ersten Wahlgang sehr deutlich gewonnen. Das war keine "Erbmonarchie", sondern echte Basisdemokratie.
Bislang haben der aktuelle Generalsekretär Uli Grötsch sowie das Duo Florian von Brunn und Ronja Endres ihre Hüte in den Ring geworfen. Wen favorisieren Sie?
Diese Entscheidung liegt in den Händen der Delegierten. Zu diesem Kreis zähle ich zum Zeitpunkt der Wahl nicht mehr. Und ich werde ihnen auch keine Ratschläge geben.
Alle Energie geht ins Thema bezahlbares Wohnen
Nach der Wahl werden Sie "nur noch" Landtagsabgeordnete sein. Was haben Sie vor?
Ich werde alle meine Energien - und davon habe ich eine Menge - in das Thema bezahlbares Wohnen und den Kampf gegen Bodenspekulation legen. Die Frage, ob du dir dein Dach über dem Kopf leisten kannst, ist eine existenzielle. Wenn sich die Mietpreise in unserem Land weiter so entwickeln, zerreißt es unsere Gesellschaft, denn inzwischen müssen sogar Familien mit mittleren Einkommen fürchten, keine bezahlbare Wohnung mehr zu finden.
Wo wollen Sie ansetzen?
Wir müssen diese Entwicklung stoppen und vor allem die Spekulation mit Boden beenden, damit wir das Grundrecht auf eine bezahlbare Wohnung, wie es auch in unserer Verfassung steht, bewahren können. Und im Moment wirkt die Corona-Pandemie auf dem Wohnungsmarkt wie ein Brandbeschleuniger, denn die Miete, die sonst noch grad so finanzierbar ist, wird in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten für viele zu einer Existenzfrage. Deswegen heißt das für mich, dass ich alle Kraft, die ich habe, in dieses Thema stecke.