Nach seinem Workshop sammeln Schüler freiwillig Müll – wie der Oberbayer Falk Skeide das schafft
Zorneding - Gestatten: Falk Skeide (50) aus Zorneding ist Plastikmüllpirat. Wie bitte? Der Diplom-Ingenieur und Coach hat sich das Ziel gesetzt, in bayerischen Grundschulen aufzuklären. Über Müll, wie man diesen vermeiden kann und wie man ihn richtig trennt.
Er vergleicht das sinnbildlich und kindgerecht mit einem Piraten und dessen Schatzsuche. In seinem Fall wären die Schätze nicht Gold- oder Silbermünzen, sondern Wertstoffe, die recycelt werden können.
Sein Ziel: Alle Viertklässler in Bayern erreichen
Er will dafür sensibilisieren, dass man mit seinem eigenen Verhalten einen Beitrag für Nachhaltigkeit leisten kann. Dafür setzt er schon bei den Viertklässlern an. Sein Wunsch: mit seiner gemeinnützigen Unternehmensgesellschaft PlaMPi gUG jährlich rund 4500 Schulklassen in Bayern erreichen.
"Ich bin nicht blauäugig, dass ich sie alle erreichen werde", sagt er der AZ. Aber er ist motiviert, es zu versuchen, und sucht dafür weitere geeignete Mitstreiter, die ebenfalls die von ihm konzipierten Workshops in den Schulen abhalten.
Wie schaut so ein Workshop aus? Er dauere zwei Unterrichtsstunden, erzählt Skeide. Zunächst gehe er mit den Kindern durch: "Was sind denn die Schätze? Papier, Plastik, Glas, Metall, Sondermüll. Wir besprechen, was die Kinder schon kennen und was im Haushalt damit passiert."
Er bringe etwa auch Videos von Recyclinganlagen mit, um den Kreislauf zu illustrieren.
"Wenn Kinder von einer Sache überzeugt sind, werden sie aktiv"
Seine Erfahrungen bisher, erstens: Wenn eine fremde Person und nicht der Lehrer, den die Schüler jeden Tag vor sich haben, diese Aufklärungs-Aufgabe rund um Nachhaltigkeit übernimmt, fruchtet es mehr. Das hätten ihm auch Lehrkräfte so bestätigt.
Zweitens: "Wenn Kinder von einer Sache überzeugt sind, werden sie aktiv." Deswegen hat er sich auch die Viertklässler ausgesucht, die könnten schon "nervig" – im positiven Sinne – werden, wenn sie sich für etwas einsetzen. In der Grundschule sind sie zudem für die Jüngeren ein Vorbild. "In der Regel ist es so, dass sie als Erstes nach den zwei Stunden Workshop auf den Schulhof gehen und Müll einsammeln."
"Das verstehen die Kinder 1A"
Bestenfalls bleibt das Wissen nicht nur auf dem Schul-Areal, sondern verändert auch das Verhalten daheim. Zum Beispiel konkret: Müll einzeln in den Gelben Sack (wo vorhanden) stecken, nichts in zusammengeknotete Tüten packen, den Deckel abmachen und alles komplett auseinandernehmen, "damit der Recyclingprozess optimal funktioniert". "Das verstehen die Kinder 1A."
Am Ende schließe er mit jedem Kind einen "Vertrag", was dieses in Zukunft tun möchte, um Müll zu vermeiden, ihn besser wiederverwendbar zu machen oder ihn aus der Natur zu entfernen. Dafür gibt es eine Urkunde, die die Teilnehmer zu Plastikmüllpiraten erklärt.
"Falk, das hast du ganz toll gemacht"
Von Eltern habe er schon Rückmeldungen bekommen wie diese: "Falk, das hast du ganz toll gemacht. Jetzt meckert mein Sohn nicht mehr, wenn er an der Kasse im Supermarkt kein Ü-Ei bekommt, sondern wenn ich eine abgepackte Gurke in den Einkaufswagen lege."

Aktuell hat er vier Multiplikatoren, er wünscht sich freilich noch mehr. Umsonst müssen sie die Workshops nicht abhalten. 50 Euro gibt's auf Honorarbasis dafür. Für die Schulen ist das Angebot kostenlos, weil er 2023 die gemeinnützige Unternehmensgesellschaft gegründet hat, um Stiftungs- und Spendengeld sammeln zu dürfen.
Wie kam er auf die Idee? 2017 lag er längere Zeit flach. Die Achillessehne. Seine Frau habe ihn mit Büchern versorgt – unter anderem "Die Big Five for Life" und "Das Café am Rande der Welt" von Autor John Strelecky. "Die habe ich verschlungen, sie haben mich inspiriert."
Auf der Suche nach den großen Lebenszielen
Er kam ins Grübeln. Was sind eigentlich seine großen Lebensziele? Eine Motorradtour bis zum Nordkap, schrieb er zunächst auf. Dann aber die Erkenntnis: "Das ist ganz schön banal. Das war mir zu wenig."
Daraus keimte eine Idee: die Problematik des Plastikmülls in den Meeren mit der Reise kombinieren und daheim in Bayern mehr Bewusstsein schaffen.
Der 50-Jährige ist kein Hardliner, will nicht mit erhobenen Zeigefinger sagen, wie toll er es selbst macht. Bei ihm daheim gilt etwa nicht das strenge Credo "Zero Waste", also seinen Verpackungsmüll komplett auf Null herunterzufahren. Sie hätten eine Vereinbarung: Pro Woche dürfe jeder ein mit Plastik verpacktes Produkt kaufen. Dann aber bewusst.
Im Kleinen packt er in Sachen Aufklärung selbst mit an, wird aktiv, aber er hat auch drängende Fragen an die Politik, die den großen Rahmen rund um Nachhaltigkeit absteckt: "Warum gibt es immer noch schwarzes Plastik, das nicht recycelt werden kann? Warum dürfen Verpackungen immer noch verschiedene Plastiksorten beinhalten, die nicht trennbar sind? Warum müssen Plastikhersteller ihre Rezepturen nicht offenlegen?"
Vor Jahren war er Mitglied bei den Freien Wählern, mittlerweile gehört er keiner politischen Partei mehr an.
"Was erreiche ich mit abgezogenem Joghurtdeckel?"
Skeide ist viel in anderen Ländern unterwegs, hat etwa Südeuropa und Nordafrika mit dem Motorrad erkundet. Auch dort ist er mit dem Thema Müll konfrontiert gewesen – in Marokko etwa gebe es außerhalb der größeren Städte keine geregelte Müllabfuhr.
Er habe Feuerstellen gesehen, an denen Menschen den Müll verbrannten. "Die Menschen haben keine Alternativen." Und freilich fragt auch er sich angesichts solcher Szenen: "Was kann ich zu Hause mit meinem abgezogenen Joghurtdeckel schon erreichen?"
Aber er sieht im Umgang mit Müll, auch im Urlaub, eine Vorbildfunktion. Zudem könne Deutschland in Sachen Innovation nach vorne gehen und so etwas auch in anderen Ländern anstoßen.
Ein paar Tipps für den Alltag
Welche Tipps hat Falk Skeide konkret für den Alltag? "Verzichtet auf schwarzes Plastik" – das findet sich etwa bei Duschgels und Shampoos für Männer, aber etwa auch bei Waschmitteln für dunkle Wäsche. Shampoos und Duschgels könne man durch Seifen ersetzen. Für Waschmittel in Plastikbehältern nennt er zum Beispiel Waschkugeln als Alternative.
Die größte Wirkung hätte es freilich, wenn man möglichst unverpackt einkauft. Ansonsten: Joghurt besser im Mehrwegglas statt im Plastikbecher mit Aluminiumdeckel und Getränke in Glasflaschen. Es empfiehlt sich ebenso, Verpackungsbehältnisse mitzunehmen, damit man keine Tüte im Supermarkt nehmen muss. Diese Tipps seien mit "Menschenverstand" betrachtet eigentlich selbsterklärend.
Mehr zu der Initiative von Falk Skeide: www.plastikmuellpiraten.de
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