Nach Verhör: Geschäftsmann bringt sich im Gefängnis um!

NÜRNBERG - Kurz nach ihrer Entlassung aus der Firma: Eine Angestellte (20) zeigte ihren Chef (48) wegen Vergewaltigung an
Ein Familienvater (48) aus dem Raum Nürnberg, der wegen Vergewaltigungsverdachts in U-Haft saß, hat sich in der Nacht zum Samstag in seiner Zelle erhängt. Der Selbstmord ereignete sich nur wenige Stunden nach einem Verhör durch die Kripo. „Ich hätte mir schon gewünscht, vorher über den Besuch der Polizeibeamten informiert zu werden“, erklärte Rechtsanwältin Susanne Koller. Sie vertrat den Kleinunternehmer in dem laufenden Verfahren. Zur AZ sagte sie: „Ich bin überzeugt davon, dass die wesentlichen Vorwürfe, die gegen meinen Mandanten erhoben wurden, nicht den Tatsachen entsprechen.“
In vier Wochen hätte der Prozess vor dem Nürnberger Landgericht stattfinden sollen. Als Hauptbelastungszeugin wäre eine junge Frau aufgetreten, die in der Firma des Beschuldigten eine Ausbildung machte. Sie hatte Anzeige gegen den Geschäftsmann erstattet und behauptete, im Lauf eines knappen halben Jahres fünfmal von ihm vergewaltigt worden zu sein. Daraufhin wanderte er hinter Gitter. War die Anzeige der 20-jährigen ein Racheakt? Diese Frage steht bei Anwältin Koller auch nach dem Tod des Beschuldigten im Mittelpunkt ihrer Überlegungen. „Letztendlich“, meinte sie, „wird das nicht mehr geklärt werden. Mit dem Tod meines Mandanten ist auch das Verfahren zu Ende.“
Nach ihrer Darstellung erfolgte die Anzeige gegen den Kleinunternehmer kurz nachdem er das angebliche Opfer aus seiner Firma entlassen hatte. Bis dahin deutete nichts auf eventuelle sexuelle Übergriffe hin. Koller: „Nur wenige Wochen vor ihrer Entlassung hatte die Frau bei einer Befragung angegeben, mit ihrem Ausbildungsplatz sehr zufrieden zu sein. Das war zu einem Zeitpunkt, als sie bereits Opfer der angeblichen Vergewaltigung gewesen sein soll.“
Der Unternehmer, der sich mit seinem Hosengürtel in der Zelle erhängte, galt als selbstmordgefährdet und wurde in der JVA intensiv betreut. „Den Verantwortlichen der JVA kann kein Vorwurf gemacht werden. Sie haben sich sehr um ihn gekümmert“, erklärte Rechtsanwältin Susanne Koller. Aus mehreren Abschiedsbriefen geht hervor, dass der Geschäftsmann die Befürchtung hatte, seine Familie zu verlieren. Diese Angst war nach dem Besuch der beiden Kripobeamten am Freitagnachmittag noch größer geworden. Die Beamten konfrontierten ihn mit den Aussagen einer weiteren Auszubildenden, die ihn ebenfalls des sexuellen Missbrauchs beschuldigte. Das war anscheinend zu viel für seine ohnehin angeschlagene Psyche. Helmut Reister