Nach "unüberlegtem Schnellschuss" der Freien Wähler: Koalitionskrach im Freistaat?

München - Gleich im Anlauf gescheitert ist der Versuch der Freien Wähler (FW) im Bayerischen Landtag, die deutsche Asylpraxis durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht zu ändern. Bayerns Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) wies die Idee des Koalitionspartners schroff zurück. Der Schritt sei ein unüberlegter Schnellschuss, der nicht von großer Kompetenz im Verfassungsrecht zeuge, so Herrmann. Da nur die Staatsregierung klageberechtigt ist, hat sich der Vorstoß der FW damit erledigt.
Ärger um Verfassungsklage der Freie Wähler zum Aslyrecht
Nach dem Willen der Freien Wähler (FW) hätte Bayern die Bundesregierung über eine Verfassungsklage zur korrekten Anwendung des Asylrechts zwingen sollen. Florian Streibl, Vorsitzender der FW-Landtagsfraktion, forderte am Freitag in Bad Griesbach den Koalitionspartner CSU auf, einen solchen Schritt mitzutragen.Nach Auffassung der FW missachtet die derzeitige deutsche Asylpraxis den Artikel 16a des deutschen Grundgesetzes, wonach aus EU- oder sicheren Drittstaaten einreisende Flüchtlinge in Deutschland keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben. Sofern der Migrant beispielsweise an der Grenze zu Österreich ein Asylbegehren deutlich macht, wird er von der Bundespolizei in ein "Ankerzentrum" überführt, wo ein oft langwieriges Asylverfahren anläuft.
Nach Auffassung der FW würde es das Grundgesetz in Verbindung mit dem "Dubliner Übereinkommen" aber gebieten, diese Personen direkt an der Grenze zurückzuweisen. Die Bürger hätten einen "Anspruch" darauf, dass die entsprechende Bestimmung des Grundgesetzes eingehalten werde, sagte FW-Fraktionschef Streibl. Die Fraktion hatte am Donnerstagabend einstimmig beschlossen, die Bundesregierung durch das Bundesverfassungsgericht zu einem solchen Vorgehen zu zwingen. Man hatte vergebens gehofft, dass auch die CSU mitmacht. Streibl verwies auf den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), der beim Flüchtlingsansturm der Jahre 2015 und 2016 diese Forderung erhoben und die immer noch geübte Praxis als rechtswidrig gebrandmarkt hatte.
Zurückweisungen an den deutschen Grenzen ist umstritten
Doch daraus wird nichts. "Wir brauchen rasche Zurückweisung an den Grenzen, nicht jahrelange Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang", sagte Staatskanzleichef Herrmann. Die Rechtslage habe sich seit 2016 aufgrund neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dermaßen grundlegend geändert, dass eine Klage am Ende sogar kontraproduktiv wirken würde. Das sei dem Koalitionspartner bei seinem "Schnellschuss" offenbar entgangen.
Ob und wie diese Zurückweisungen an den deutschen Grenzen umgesetzt werden könnten, ist zudem juristisch umstritten. Nach Auffassung des FW-Landtagsabgeordneten und Polizeibeamten außer Dienst Christian Lindinger müsste lediglich die "Weisungslage" für die Bundespolizei geändert werden, damit Asylsuchende gleich zurückgeschickt und nicht in ein bayerisches Ankerzentrum überstellt werden. Die derzeit schon bestehenden Grenzkontrollen befinden sich allerdings nicht direkt an der Grenze, sondern bis zu einigen Kilometern dahinter auf deutschem Boden, so dass man dort festgestellte Migranten möglicherweise bereits als eingereist betrachten könnte.
Aiwanger sieht die Überlegungen als "Haarspalterei"
Aiwanger bezeichnete diese Überlegungen als "Haarspalterei". Die Rechtslage lasse es auch zu, Flüchtlinge, die "ein paar Kilometer hinter der Grenze" aufgegriffen werden, "einzusammeln und umgehend zurückzuführen", sobald sie nachweislich aus einem sicheren Land wie Österreich kamen. Aus dem Nachbarland hieß es jedoch schon Mitte der Woche: Man werde keine Personen entgegennehmen, die von Deutschland zurückgeschickt werden.