Nach Petition fühlen sich Schüler hingehalten
München (dpa/lby) - Vor einem halben Jahr hat eine Gruppe von Abiturienten für kräftigen Wirbel gesorgt: Mit einer Petition lenkten sie die Aufmerksamkeit auf psychische Erkrankungen bei Schülern und brachten das Thema auf die Agenda der Staatsregierung. Das Kultusministerium veröffentlichte daraufhin einen Zehn-Punkte-Plan und versprach mehr Aufklärung. Doch mit dem nun vorliegenden Zwischenbericht sind die Initiatoren mehr als unzufrieden - und haben Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) deshalb am Dienstag in München einen offenen Brief überreicht.
"Keine der vor einem halben Jahr geplanten Initiativen wurde umgesetzt oder überhaupt begonnen", kritisierten die sechs Schulabgänger gemeinsam mit gewichtigen Unterstützern darin. Im Gespräch ergänzte Alexander Spöri stellvertretend für die Gruppe: "Wir wollen, dass man die Aufklärung jetzt wirklich mal durch Informationsveranstaltungen an die Schulen holt."
Spöri beklagte, dass das Ministerium erst nächsten Juli wieder Bericht erstatten wolle. "Das klingt für uns wie ein Aufschub, ohne die Dinge konkret anzupacken." Er hofft nun auf die Zusage Aigners, persönlich mit Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) über die Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans zu sprechen.
Auch der bildungspolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Max Deisenhofer, kritisierte, dass seit der Petition "so gut wie nichts" passiert sei. Der Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker rief die Staatsregierung dazu auf, die Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans nicht weiter zu verzögern. "Die meisten psychischen Erkrankungen ließen sich besser behandeln und Suizide verhindern, wenn man sie frühzeitiger erkennen und therapieren könnte", betonte der Vorsitzende Karl Heinz Möhrmann. Es gelte daher, keine Zeit zu verlieren. Auch die FDP erwartet vom Ministerium "mehr Tatendrang": "Schönwetter-Reden sind einfach zu wenig."
Das Ministerium wiederum verwies darauf, dass die Maßnahmen des Zehn-Punkte-Programms "an den Schulen vor Ort planmäßig und mit Hochdruck umgesetzt" würden. So sei etwa das Beratungsangebot verstärkt und das Thema psychische Erkrankungen in das Kerncurriculum der Lehramtsstudiengänge aufgenommen worden.
Die umtriebigen Initiatoren der Petition hatten nach einem Fall im eigenen Freundeskreis zunächst einen Film über Depressionen bei Jugendlichen gedreht und dann eine - rechtlich nicht bindende - Online-Petition gestartet, die inzwischen von mehr als 42 000 Menschen unterschrieben wurde. Der Bildungsausschuss des Landtages überwies diese Petition zur Würdigung an die Staatsregierung - ein ziemlich seltener Schritt, der bedeutet, dass sich die Staatsregierung detailliert mit dem Anliegen befassen muss.
Neben der Grünen-, SPD- und FDP-Landtagsfraktion haben auch Fachorganisationen wie das Max-Planck-Institut für Psychiatrie oder das Münchner Bündnis gegen Depression den offenen Brief an Aigner unterschrieben. Darin heißt es: "Viel zu oft wird vergessen, dass Aufklärungsarbeit über psychische Krankheiten auch Prävention für Suizide bedeutet. Aufklärung schafft Prävention." An die Landtagspräsidentin gerichtet appellieren sie: "Wir wollen diese jungen Menschen retten; helfen Sie uns dabei."
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