Nach neuer Pferde-Tragödie: Rothenburg verbannt Kutschen

Oberbürgermeister Walter Hartl schlägt einen harten Kurs ein: Der Imageschaden durch Fahrbetriebe sei nicht hinnehmbar.
von  Abendzeitung

Oberbürgermeister Walter Hartl schlägt einen harten Kurs ein: Der Imageschaden durch Fahrbetriebe sei nicht hinnehmbar.

ROTHENBURG/TAUBER Oberbürgermeister Walter Hartl ist die Hutschnur geplatzt. Er will die umstrittenen Pferdekutschen, eine Touristen-Attraktion, aus der mittelalterlichen Stadt verbannen. Anlass ist der erneute Tod eines Zugpferdes auf offener Straße, der eine gewaltige Protestwelle auslöste.

„Wir können uns als Touristen-Hochburg einen derartigen Imageschaden nicht leisten“, sagte das Stadtoberhaupt zur AZ. In der nächsten Stadtratssitzung, die noch im September stattfindet, will er beantragen, den einzigen Standplatz für die Pferdekutschen zu schließen. Damit wäre den Fahrten der Boden entzogen.

OB Hartl ist sich sicher, dass er für den Antrag eine ausreichende Mehrheit bekommen wird. Darauf, so erklärte er, deutet das Ergebnis diverser Gespräche hin, die er mit Vertretern der einzelnen Fraktionen bereits geführt hat.

Empörte Tierschützer bombardierten die Stadtverwaltung mit E-Mails und Briefen

Zum ersten Mal gerieten die Rothenburger Pferdekutschen vor vier Jahren in die Schlagzeilen. Eines der Tiere war auf offener Straße zusammengebrochen und musste vom Tierarzt eingeschläfert werden. Zeugen hatten zuvor beobachtet, dass der Kutscher das erschöpfte Pferd mit brutalen Schlägen und Tritten wieder zum Aufstehen bewegen wollte. Er bekam dafür einen Strafbefehl zugestellt.

Bereits damals war die Stadtverwaltung mit E-Mails und Briefen empörter Tierschützer regelrecht überschüttet worden. Das Ausmaß war so gewaltig, dass sogar der Server im Rathaus seinen Geist aufgab. Ähnlich vehement fielen die Proteste auch nach dem Tod eines Pferdes in der vergangenen Woche aus. Hartl: „Wir bekamen Zuschriften aus ganz Europa.“

Der tierschützerische Aspekt allein ist es nicht, der den Oberbürgermeister zum Durchgreifen veranlasst. „Da kommen eine ganze Fülle von weiteren Gründen hinzu“, sagte er – und spielte damit auf die zahllosen Streitereien der miteinander konkurrierenden Kutschbetriebe an. Einige der Auseinandersetzungen mussten sogar vor Gericht ausgetragen werden. Zum Beispiel, als sich zwei Kutscher eine wilde Verfolgungsjagd quer durch die Stadt lieferten und sich danach gegenseitig mit Rossbollen bewarfen. Aber auch unbeteiligte Passanten gerieten ins Kreuzfeuer der Streithähne. Eine junge Frau etwa wurde von einem aufgebrachten Kutscher ausgepeitscht.

Helmut Reister

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