Bluttat in Aschaffenburg: Söder sieht Schuld beim Bund – aber ist das so einfach?

München - Ohne Umschweife hat Bayern den Bund für die Gewalttat in Aschaffenburg verantwortlich gemacht, bei dem ein Kleinkind und ein 41-jähriger Mann durch Messerstiche eines afghanischen Asylbewerbers getötet wurden.
Das dem Bundesinnenministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe seit der Einreise des afghanischen Straftäters Fehler gemacht oder sei untätig geblieben, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag.
Bluttat von Aschaffenburg: Innenminister Joachim Herrmann sieht die Verantwortung beim Bamf
Der 28-jährige Afghane, der im November 2022 nach Deutschland eingereist war, hätte nach dem sogenannten Dublin-Abkommen sofort nach Bulgarien, dem EU-Erstaufnahmeland, zurückgeschoben werden können. Das Bamf habe die Abschiebung nach Bulgarien der zuständigen örtlichen Ausländerbehörde jedoch erst sechs Tage vor dem Ablauf der dafür gesetzten Frist mitgeteilt.
Es sei "offenkundig", dass die Ausländerbehörde in dieser Zeit die Rückführung nicht organisieren konnte, sagte Herrmann. Nach der versäumten Dublin-Abschiebung eröffnete das Bamf ein formelles Asylverfahren nach deutschem Recht.
Die Behörde sei aber volle 16 Monate bis Dezember 2024 untätig geblieben, schilderte Herrmann den Zeitablauf. Dann habe sich der Afghane zur freiwilligen Ausreise bereiterklärt, worauf das Asylverfahren beendet wurde.

Der richtige Adressat der "markigen Worte", die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über diesen Fall gefunden habe, sei die Bundesbehörde Bamf, betonte Herrmann. Die politische Verantwortung für das Amt liege bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

In Bayern leben 187 "schwere Straftäter" aus Afghanistan – nicht alle sind in Haft
Unmittelbar vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen habe der Bund einen einzigen Abschiebeflug mit schweren Straftätern nach Afghanistan organisiert. Trotz weiterer Ankündigungen sei anschließend nichts mehr geschehen. Nach Herrmanns Angaben halten sich allein im Freistaat 187 "schwere Straftäter" afghanischer Nationalität auf, von denen nur ein Teil in den Gefängnissen einsitzt. Der Bund müsse "dringend" die Voraussetzungen für deren Abschiebung schaffen, forderte der bayerische Innenminister.
"Es reicht", kommentierte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Aschaffenburger Gewalttat. Eigentlich müsse Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) unverzüglich nach Afghanistan reisen, um dort Druck für die Rücknahme afghanischer Staatsbürger zu machen. Nach Herrmanns Angaben hat der Täter von Aschaffenburg trotz eigener Ankündigung Deutschland bisher nicht verlassen, weil Afghanistan ihn ohne "Papiere" nicht einreisen lassen wollte.
Die Bundesrepublik hätte für ihn den Rückflug organisiert und finanziert, berichtete Herrmann. Der 28-Jährige war bereits wegen dreier tätlicher Angriffe im Umfeld seiner Asylbewerberunterkunft aufgefallen. Man habe ihn psychiatrisch behandelt und ihm sei vom Gericht eine "Betreuerin" zur Seite gestellt worden.

Söder: Bundesregierung ist schuld daran, "dass uns die Migration über den Kopf wächst"
Der Regierungs- und CSU-Chef machte die Bundesregierung dafür verantwortlich, "dass uns die Migration über den Kopf wächst". Es gebe bei den Fällen der Anschläge durch Ausländer kein Versagen der Länder und ihrer Behörden, weil das Recht, zu handeln, fehle, bemängelte Söder. Immerhin deute sich nach dem letzten Vorfall "zum ersten Mal" eine "richtige Zeitenwende" und eine "180-Grad-Wende" in der Migrationspolitik an.
Söder listete erneut die Forderungen der Unionsparteien im Programm für die Bundestagswahl am 23. Februar auf. Alle diese Vorschläge seien in den vergangenen Jahren über den Bundesrat ohne Erfolg eingebracht worden, beklagte der Ministerpräsident.
Zu den Unions-Forderungen gehören Zurückweisungen an den Grenzen, die zwingende Abschiebung von Ausländern "nach der ersten Straftat", die Einrichtung von Ausreisezentren an den Flughäfen sowie Verschärfungen beim Staatsbürgerschaftsrecht.

Söder kündigte an, das bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKGH) mit dem Ziel einer Verschärfung zu überarbeiten. Das Gesetz hatte vor sechs Jahren eine lebhafte Debatte ausgelöst, wonach es entschärft wurde, was die Voraussetzungen für eine zwangsweise Unterbringung betrifft.
Grüne im Landtag fordern Sondersitzung, "um alle offenen Fragen aufzuklären"
Die Grünen im Bayerischen Landtag sehen hingegen auch Verantwortung bei bayerischen Behörden. "Der Täter hätte nicht mehr in Bayern sein dürfen. Das ist glasklar", sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze und verlangte eine Sondersitzung des Landtags in der kommenden Woche, "um alle offenen Fragen aufzuklären".

Eine davon formulierte Schulze so: "Warum ist der Täter trotz vieler Gewalttaten sicherheitspolitisch durchs Raster gefallen? Wurde er nicht überwacht? Hätte er bis zur Ausreise in Gewahrsam genommen werden können?" Die Grünen wundern sich, warum die Zurückschiebung des späteren Täters nach dem Dublin-Verfahren unterlassen wurde, was Herrmann bereits mit Saumseligkeit des Bamf erklärt hatte.
Zuständig für Abschiebungen in Deutschland seien die Bundesländer, sagte Florian Siekmann, Sprecher der Grünen für Inneres: "Wie ist er durchs Raster der bayerischen Behörden gefallen? Wie können wir verhindern, dass es wieder passiert? Diesen Fragen werden wir detailliert nachgehen."