Nach Corona-Ausschreitungen: Sind Eil-Urteile bedenklich?
München/Schweinfurt - Das ging schnell: Schon einen Tag nachdem eine als "Spaziergang" getarnte Querdenker-Demonstration in Schweinfurt aus dem Ruder gelaufen war, wurden drei Männer und eine Frau zu Geld- und Bewährungsstrafen wegen Körperverletzungen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft hatte vom "beschleunigten Verfahren" nach Paragraf 417 der Strafprozessordnung Gebrauch gemacht (AZ berichtete).
Beschleunigte Strafverfahren werden nicht oft angewendet
Hinter dem seit Ende der 90er Jahre möglichen Schnellverfahren steht die erklärte Absicht des Gesetzgebers, der Straftat die Strafe "auf dem Fuße" folgen zu lassen. Gleichwohl fühlt sich so mancher an einen Unrechtsstaat erinnert. Strafverteidiger sehen die "beschleunigten Verfahren" nicht als Bedrohung des Rechtsstaats.
Sehr oft wird in Deutschland das "beschleunigte" Strafverfahren bisher nicht angewendet. Es wird geschätzt, dass lediglich zwei bis drei Prozent der vor den Amtsgerichten abgehandelten Strafsachen auf diese Weise erledigt wird - in Bayern häufiger als in anderen Ländern. Die Voraussetzungen: Die Tat muss kurz zuvor begangen worden sein, der Sachverhalt muss einfach und die Beweislage klar sein.
Schnelle Strafverfahren als Vorteil für Betroffene
Nicht selten erweist sich das Schnellverfahren als Vorteil für die Betroffenen, sagt der Münchner Rechtsanwalt Andreas Lickleder von der Initiative Bayerischer Strafverteidiger. So müssten etwa internationale Fußball-Hooligans nicht wochenlang in U-Haft auf ihren Prozess warten, sondern könnten rasch wieder nach Hause verschwinden - sofern sie mit Bewährung bedient werden.
Glück hatte auch Viktor G. (48), der in Schweinfurt mehrere Polizisten heftig attackierte. Er kam laut Richter nur deshalb mit zwölf Monaten mit Bewährung davon, weil im beschleunigten Verfahren kein höheres Strafmaß verhängt werden kann.
Ein Angeklagter habe im Eil-Verfahren sicher wenig zu sagen und die Sachverhaltsaufklärung bleibe auch auf der Strecke, sagt Lickleder. Jeder Angeklagte könne aber die "komplette Version" haben, wenn er in die Berufung gehe. Der gewählte Weg wie jetzt in Schweinfurt sei "auch eine klare Ansage, dass man beim Amtsgericht nicht gewillt ist, die komplette politische Gesamtsituation aufzuklären".
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