Mutmaßlicher Mörder: Gefesselt zur Scheidung

Weil die Tante der in Krailling ermordeten Schwestern ihren Mann nie mehr sehen will, stimmt die Richterin einer Härtefall-Regelung zu - der Tatverdächtige behält aber ein Sorgerecht.
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Ursula S., die Tante der ermordeten Schwestern, mit ihrem Anwalt Manfred Wölke beim Scheidungs-Termin.
Mike Schmalz Ursula S., die Tante der ermordeten Schwestern, mit ihrem Anwalt Manfred Wölke beim Scheidungs-Termin.

Weil die Tante der ermordeten Schwestern ihren Mann nie mehr sehen will, stimmt die Richterin einer Härtefall-Regelung zu - der Tatverdächtige behält aber ein Sorgerecht für seine Kinder.

Weilheim - Womöglich war es das erste Mal seit langer Zeit, dass Ursula S.(44) über das ganze Gesicht gestrahlt hat. Das erste befreite Lächeln nach dem Mord an ihren Nichten Chiara (†8) und Sharon (11). Das erste Aufatmen, seitdem Ursula S. ihren Mann für einen Mörder hält. Seit Freitag ist die Erzieherin von Thomas S.(50) geschieden.

Die Prozedur dauerte nur 45 Minuten. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass diese Ehe jetzt beendet ist“, sagte sie anschließend. Und wirkte froh dabei.

Ihr Ex-Mann, der unter dringendem Tatverdacht in Stadelheim einsitzt, war mit Verspätung zur Anhörung erschienen: Das Polizei-Auto, das den Postboten nach Weilheim bringen sollte, hatte einen Unfall. Mit einer Vorführ-Zange gefesselt, stieg er schließlich aus einem Ersatz-Wagen. Schlanker als bei seiner Verhaftung, frisch rasiert – und grinsend.

Ursula S., die schon vorher angekommen war – im kurzen schwarzen Kleid und roten Wildleder-Pumps – hat diesen merkwürdigen Auftritt nicht gesehen. Sie will dem Mann, mit dem sie 15 Jahre verheiratet war und vier Kinder (6 bis 13) hat, nie wieder in die Augen blicken. Das hatte sie schon vor der Anhörung gesagt.

Auch die Kinder wollen ihren Vater nicht sehen. „Vor allem der 13-Jährige will nichts mehr von ihm wissen“, sagt Ursula S. Sie ist fest davon überzeugt, dass Thomas S. die Töchter ihrer Schwester Anette (41) umgebracht hat, weil sich die Familien um eine geerbte Wohnung gestritten hatten. Darum wollte sie nicht mehr mit ihm zusammen leben. Sie forderte eine Härtefall-Scheidung. „Man kann keiner Frau zumuten, neben einem Mann aufzuwachen, den sie für einen Mörder hält“, sagte ihr Anwalt.

Thomas S. hingegen, der getrennt von Ursula befragt wurde, im Gerichtssaal keine Fesseln trug und Kaffee trank, wollte an der Ehe festhalten. Er beteuert seine Unschuld und sieht keinen Grund für eine Trennung. „Die Vorwürfe sind absurd. Er ist doch selbst Vater von vier Kindern“, so sein Rechtsbeistand. Trotzdem stimmte die Richterin der Scheidung zu. Das Sorgerecht teilen sich die Eltern. Das Jugendamt hatte zu dieser Lösung geraten, weil Ursula S. vor einiger Zeit an Brustkrebs erkrankt war. Und nun? Ursula S. und die Kinder wohnen heute wieder in Peißenberg, wo Thomas S. verhaftet wurde. „Ich will weiterleben und alles dafür tun, dass die Kinder ihr Zuhause nicht verlassen müssen“, sagt die vierfache Mutter.

Mehr lesen Sie in der Wochenend-Ausgabe der AZ auf Seite 9.

 


 

So starben Chiara und Sharon

 

Donnerstag, 24. März: Als Anette S. kurz vor fünf Uhr morgens nach der Arbeit nach Hause kommt, findet sie Chiara (8) und Sharon (12) tot in der Wohnung. Die Mädchen wurden erstochen, erschlagen und erwürgt. Tatwaffen sind ein Seil, ein Messer und eine Hantelstange. Ein Sexualdelikt ist schnell ausgeschlossen. Die Polizei vermutet eine Beziehungstat.

Freitag, 1. April: Der Onkel der Mädchen wird festgenommen. Thomas S. (50) hat vier Kinder, ist Postbote und lebt mit seiner Familie in Peißenberg im Landkreis Weilheim.

Er bestreitet die Tat. An den Tatwaffen klebt seine DNA. Außerdem werden Hautpartikel von ihm unter den Fingernägeln der Mädchen gefunden.

Womöglich wollte der Täter auch die Mutter der Kinder töten. Er ließ Wasser in die Badewanne und stellte ein Elektrogerät daneben. Offenbar sollte es aussehen, als habe die Mutter ihre Kinder getötet und Selbstmord begangen.

Als mögliches Motiv bei Thomas S. vermuten die Ermittler Geldsorgen. Seinem Haus drohte die Zwangsversteigerung. Er hatte mit seiner Schwägerin um ein Familienerbe gestritten.

 

 

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