Musik wie auf dem Trapez

NÜRNBERG - Am 4. Juli feiert Vincenzo Bellinis Oper„I Puritani“ am Opernhaus Premiere. Sie fordert vom Tenor das hohe F — und vom Regisseur sängerfreundliche Arrangements.
Wenn sich am 4. Juli im Opernhaus der Vorhang hebt, legt das Staatstheater nur zwei Monate nach Donizettis „Dom Sébastien“ mit Vincenzo Bellinis „I Puritani“ einen weiteren Belcanto-Schinken nach. Stimmakrobatik ist alles, die Story nur der Aufhänger für kulinarische Goldkehlchen-Exzesse.
Dass Elvira im England des 17. Jahrhunderts wahnsinnig wird, weil ihr Lover Arturo sie verließ, aber zu Sinnen kommt, als der zum Tode Verurteilte wieder auftaucht und begnadigt wird, besticht nicht eben durch Glaubwürdigkeit. Schwamm drüber. Denn neben den Koloratur-Exzessen der Elvira (Hrachuhí Bassénz singt die Premiere, Heidi Elisabeth Meier steigt später ein) sind alle Ohren auf Arturo gerichtet: Gleich zu Beginn hat Bellini für ihn ein hohes C und im letzten Akt ein hohes F komponiert, den höchsten Tenor-Ton der Opernliteratur. Ein Kraftakt für Mozart-Tenor Tilman Lichdi und den alternierenden „Dom Sébastien“ Christopher Lincoln.
Dennoch: „Wir haben das hohe F fest im Auge“, sagt Guido Johannes Rumstadt, Nürnbergs Erster Kapellmeister und „I Puritani“-Dirigent. „Es ist schön für Belcanto-Kenner, die den ganzen Abend darauf warten können, ob der Ton kommt. Ein vierfacher Salto, nicht die ganze Oper wert, aber etwas sehr Spezielles.“ Und kündigt sicherheitshalber an, dass man immer noch auf tiefere Töne ausweichen könne.
Regisseur Dieter Kaegi hingegen, künstlerischer Leiter der Opera Ireland in Dublin (wohin die Ko-produktion weiterziehen wird), hat schon in Biel und Gelsenkirchen unter Staatsintendant Peter Theiler gearbeitet und setzt darauf, „eine Geschichte zu erzählen, die Sinn macht.“ Und verspricht: „Unsere Strichfassung hat die dramaturgischen Brüche geglättet.“ Nicht die Konflikte zwischen Puritanern und Königstreuen stehen im Fokus, sondern der Krieg zweier Parteien. Das erklärt auch Wahnsinn und sonstige Ungereimtheiten: „Vom Krieg traumatisierte Menschen benehmen sich nicht normal.“ Als Zeichen für den Bürgerkrieg hat Ausstatterin Monica Frawley eine von der heutigen israelisch-palästinensischen Mauer inspirierte Raumteilung gebaut.
Dennoch wird es nicht einfach, einem Belcanto-Schinken Wahrhaftigkeit zu verleihen: „Das ist Musik wie auf dem Trapez. Szenisch muss es auch so arrangiert sein, dass das geht“, beschreibt Rumstadt die Herausforderungen an den Regisseur, der sekundiert: „Belcanto animiert die Sänger zum Mitschwingen. Da muss ich manchmal deutlich sagen: Wir machen ,I Puritani’, die Oper, nicht ,I Puritani’, das Ballett.“
Georg Kasch