Mühsames Schellenputzen nach dem Viehscheid
Für die Allgäuer Hirten und ihre Herden ist der Viehscheid der Höhepunkt des Jahres. Dann werden die Rinder ins Tal getrieben und am „Scheidplatz“ auf die Besitzer, die jeweiligen Bauern, verteilt.
Wertach - Für das Großereignis werden die kleineren Weideglocken um den Hals der Kühe eingetauscht gegen mächtige, bunt geschmückte Kuh-Schellen. „Die sind nur für den Viehscheid da, den Bergsommer über haben die Rinder die viel leichteren Weideglocken um“, erklärt Alphirte Charlie Gerbeth von der Wertacher Sorg-Alpe.
Nach dem Almabtrieb beginnt für ihn und die anderen Hirten und Treiber ein mühsames Prozedere: Tagelang müssen sie die prächtigen, zwischen fünf und acht Kilo schweren Schellen putzen. Am Samstag war noch einmal gehörig Rummel angesagt im Allgäu, bei den letzten Viehscheiden der Saison, unter anderem in Obermaiselstein.
Allein dort wurden von zwölf verschiedenen Alpen mehr als 1.330 Rinder ins Tal getrieben. Insgesamt kehrten in den vergangenen zwei Wochen rund 30.000 Rinder von den Allgäuer Weideflächen im Gebirge zurück. Zehntausende Menschen feierten den Viehscheid als Volksfest.
Drei Tage für 96 Schellen
Auch Alphirte Charlie Gerbeth hat den Almabtrieb jetzt hinter sich, nun ist er mit seinem Sohn Werner mit Schrubben beschäftigt. Drei Tage bräuchten sie für ihre 96 Schellen, sagt Charlie. Sie waschen die breiten Lederriemen mit einer Seifenlauge, dann wird der Schmutz von den Schellen entfernt.
Nach der Grobreinigung werden sie noch mit einem Dampfstrahler gesäubert, bevor die Messingschilder poliert werden. „Nach zwei Tagen habe ich weichere Hände als eine Hebamme“, scherzt der Älpler. Immer, wenn ein Schwung Schellen gereinigt ist, schleppen sein Sohn und er die schweren Umhängsel zum Zaun, hängen sie dort in die Sonne zum Trocknen.
Sobald sie trocken sind, werden noch die Lederriemen gewienert und die Schellen mit Öl eingerieben.
Die schönste Schelle bekommt das Kranzrind
Viele seiner Schellen seien schon 60 Jahre alt, die prächtigen Stücke würden in seiner Familie vererbt, erklärt Charlie Gerbeth.
Die geschmiedeten Schellen und die gegossenen Weideglocken hätten alle einen ganz eigenen Klang und den müssten die Hirten sich ganz schnell einprägen. „Wenn du das nicht kennst, bist eigentlich kein Hirt“, meint er. „Auch die Kühe untereinander kennen sich und wenn mal eine sich versteigt, geht sie dem Klang nach und so laufen die fast immer wieder zusammen.“
Die schönste Schelle bekommt beim Viehscheid meist das sogenannte Kranzrind umgehängt. Das ist eine besonders prächtig geschmückte Kuh, die immer nur dann von einer Alpe ins Tal geführt werden darf, wenn während des Bergsommers kein Tier oben ums Leben gekommen ist. Auch Charlie Gerbeth durfte heuer wieder ein Kranzrind schmücken.
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