Mord-Prozess: Nürnberger Gericht tagt im Wald...
Kurioser Ortstermin im Verfahren gegen den Knecht, der seine Chefin erschlagen haben soll.
NÜRNBERG/UFFENHEIM Wurde eine Bäuerin (†50) in einem Waldstück bei Uffenheim (Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) von einem herunterfallenden Ast am Kopf getroffen und tödlich verletzt – oder hat sie ihr eigener Knecht (25) brutal erschlagen? Um diese alles entscheidende Frage schlüssig beantworten zu können, reiste das Schwurgericht gestern zum Schauplatz der Tragödie. Und tagte im Wald...
Kurz nach 17 Uhr erreichte der in Nürnberg gestartete Fahrzeugkonvoi das „Buchheimer Holz“, ein kleines Waldstück mit Eichen, Birken und Pappeln in der Nähe der kleinen Gemeinde Custenlohr. Auch der unter Mordanklage stehende Knecht Stefan E. (25) war dabei. Er wurde bei dem Ortstermin schwer bewacht und an Händen und Füßen gefesselt, um eine Flucht unmöglich zu machen. Seine Mutter wich während des gesamten Ortstermins nicht von seiner Seite.
Die Reise in die Provinz ließ sich wegen der dünnen Beweislage nicht umgehen. Während die Staatsanwaltschaft im laufenden Indizienprozess nach wie vor von einem hinterhältigen Mord an Gerlinde G. ausgeht, wäscht der mutmaßliche Täter seine Hände von Anfang an in Unschuld.
„Es war ein Unfall“, behauptet er. Nach seiner Darstellung habe sich der Ast einer von ihm gefällten Eiche in einem anderen Baum verfangen, sei abgebrochen und in luftiger Höhe hängengeblieben. Eine halbe Stunde später, kurz nachdem Gerlinde G. gekommen sei und mit dem Einsammeln von Holzteilen begonnen habe, sei der Ast dann heruntergefallen und habe sie getroffen. Die Staatsanwaltschaft geht dagegen davon aus, dass Stefan E. die Bäuerin von hinten mit dem Ast erschlagen hat.
Das Dilemma, dem das Gericht gegenübersteht: Mehrere Gutachter halten die Mordversion für möglich – aber auch die eines Unfalls. Um eine der beiden Varianten ausschließen zu können, war gestern am frühen Abend auch wieder ein Experte für Bäume anwesend. Der konnte die 21 Meter hohe Eiche an Ort und Stelle in Augenschein nehmen. Sie lag noch in der Lichtung, daneben ein Steinkreuz, das Nachbarn dort für Gerlinde G. errichtet haben.
Hundertprozentig auf eine der beiden Möglichkeiten konnte sich der Sachverständige Udo Kaller auch diesmal nicht festlegen. Allerdings hält er die Variante des Angeklagten für „sehr unwahrscheinlich“.
Die Staatsanwaltschaft betrachtet das Gerangel der Gutachter mit eher gemischten Gefühlen. Sie kann nämlich eindeutige Beweisstücke für ein klares Mordmotiv des angeklagten präsentieren. Nach dem Tod der Bäuerin wurden gefälschte Dokumente entdeckt, mit denen Stefan E. den Hof (44 Hektar Land, fünf Hektar Wald) sich unter den Nagel reißen wollte.
Der Prozess, der ursprünglich in dieser Woche zu Ende gehen sollte, zieht sich aufgrund der ungeklärten Sachverhalte weiter in die Länge. Bis weit in den Mai hinein wurden bereits Verhandlungstermine festgelegt. hr
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